Das Eintracht Frankfurt Museum hatte wieder einmal zu einer Veranstaltung aus der Reihe Die Macht des Sports geladen. Nachdem zuvor schon Uli Borowka zum Thema Alkoholismus, Thorsten Legat über Missbrauch und René Schnitzler über Spielsucht gesprochen hatten, waren nun Teresa Enke und Autor Ronald Reng geladen.
Natürlich drehte sich das Gespräch unter Anleitung von Jan Christian Müller um den Suizid Robert Enkes auf Grund von Depressionen. Zuvor hatte Dr. Thomas Götz, Leiter der Abteilung Psychiatrie des Gesundheitsamt Frankfurt, einen Vortrag zum Thema gehalten.
Das Museum war rappelvoll – und die Besucher setzten sich nicht nur aus Eintrachfans zusammen, viele der Gäste zeigten sich vor allem am Thema interessiert, darunter auch Andreas Rettig, Geschäftsführer der DFL, die das Projekt Die Macht des Sports finanziell unterstützt hatte.
Wir begaben uns auf eine Reise durch das Leben Enkes, dessen Depression sich schon als Schüler zeigte, als er sich zuweilen im Bett verkroch und nicht zur Schule ging. Als Schüler lernte er auch seine spätere Frau Teresa kennen, die ihn auf allen Stationen begleitet hatte. Über Jena wechselte er nach Mönchengladbach, von dort nach dem Abstieg der Borussia nach Lissabon. Diesen Wechsel nahmen ihm die Fans übel, beschimpften ihn als Verräter. Bemerkenswert die Tatsache, dass Enke selbst vor seinem Wechsel sich nicht in Lissabon umgeschaut hatte, Teresa hatte sich die Stadt angesehen. Noch bei Unterschrift des Vertrages plagten den jungen Torhüter Zweifel, das fremde Land, die fremde Sprache. Letztlich schien es schlicht wirtschaftliche Vernunft, den gutdotierten Vertrag zu unterzeichnen. Trainer bei Benfica war seinerzeit Jupp Heynckes.
Die Arbeit des Moderators Jan Christian Müller schien leicht, sowohl Teresa Enke als auch Robert Reng wollten reden. Und sie sprachen offen und klar. Reng, der nach Enkes Tod die Biographie Robert Enke – Ein allzu kurzes Leben geschrieben hat, wollte eigentlich das Buch mit Robert schreiben. Zumindest hatte Enke einen lapidar daher gesagten Satz Rengs so aufgefasst. Der 10. November 2009 machte diesem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung. Reng war mit der Familie Enke, so ich es richtig verstanden habe, seit Roberts Zeit in Barcelona befreundet. Er musste das Buch nun über ihn schreiben, nicht mit ihm.
Obgleich Enke in Lissabon stabile Leistungen zeigte und sich dort eingelebt hatte, plante er einen Wechsel – und es schien, dass er das große Los gezogen hatte – Die nächste Station hieß FC Barcelona unter Trainer van Gaal. Doch der eigenwillige Coach degradierte Enke zur Nummer drei, zog ihm sogar den damals blutjungen und unerfahrenen Víctor Valdés vor. In den folgenden Jahren stagnierte die Karriere Enkes, ein einziges Ligaspiel absolvierte er für Barcelona, er ließ sich zu Fehnerbahce Istanbul ausleihen um nach einem einzigen Spiel, beschimpft von den eigenen Fans, den Vertrag wieder aufzulösen, die Depression brach vollends durch – und er brauchte Behandlung. Ein schwieriges Unterfangen für einen Profi, dessen Lebensumstände nur von den wenigsten nachvollzogen werden können. In Valentin Markser fand er einen Psychologen, der in den Siebzigern erfolgreich im Handballtor des VfL Gummersbach gestanden hatte. Öffentlich hatte Enke seine Erkrankung zeitlebens nie gemacht.
Im Anschluss an das Istanbuler Debakel wechselte Enke zum spanischen Zweitligisten CD Teneriffa – und schien sich zu finden, obgleich er laut Teresa mit Veränderungen nur schwer zurecht kam. Er saß am Meer und betrachtete die Leute und schien glücklich. Sportlich jedoch war die zweite spanische Liga keine Herausforderung, nach neun Ligaeinsätzen kehrte er der Insel den Rücken und spielte ab 2004 für Hannover 96. Dort avancierte er zum Stammtorhüter und spielte sich in den Kreis der Nationalmannschaft. Dabei lieferte er sich ein Duell mit René Adler um die Nachfolge von Jens Lehmann. Doch während Lehmann zuvor mit Konkurrent Oliver Kahn auch im Training kaum sprach, so bestand zwischen Enke und Adler ein freundschaftliches Verhältnis, während also der Konkurrenzkampf Lehmann/Kahn die beiden anstachelte, so schienen sowohl Enke als auch Adler gehemmt. Bemerkenswert die jeweiligen Verletzungen, sobald einer kurzzeitig die Nase vorn hatte. Mitspieler, auch von Hannover 96, hatten zwar zuweilen schon geahnt, dass Enke mit Problemen zu kämpfen hatte, mit sich haderte – aber die Diagnose Krankheit: Depression wurde nicht gestellt, auch nicht von Sportärzten, die obschon zuweilen den Verdacht hegten, Enkes Verletzungen hätten psychischen Ursprung, diese Diagnose bspw bei einem Kahnbeinbruch allerdings wieder verwarfen.
Selbst die Adoption der kleinen Laila, drei Jahre nach dem Tod der eigenen Tochter, die mit einem Herzfehler auf die Welt kam und im Alter von zwei Jahren verstarb, konnte Robert Enke nicht den erhofften Schub geben, genauso wenig das finanzielle Polster, die Liebe seiner Frau, der sportliche Erfolg. An seinem letzten Tag fuhr er vermeintlich zum Training, das aber nicht stattfand, acht Stunden später kam der Zug.
Übrig bleibt die von Teresa Enke gegründete Robert Enke-Stiftung, auf dass sich Fälle wie die tragische Geschichte von Robert Enke nicht wiederholen, dass es Ansprechpartner gibt und Ärzte, die sich untereinander vernetzen, um ein Tabu-Thema konsequenter behandeln zu können. Teresa betonte, dass sich viel geändert habe, wobei Ronald Reng darauf hinwies, dass sicherlich auch heute noch nicht jeder Team-Manager um die psychische Stabilität seiner Spieler weiß. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hat sich Andreas Biermann, einstiger Spieler von Union Berlin und St. Pauli, im Juli 2014 das Leben genommen. Und übrig bleiben auch die, die mit den Folgen zu kämpfen haben, wie auch ein Bericht von Florian Fromlowitz zeigt, der Robert Enke im wahrsten Sinne des Wortes im Tor von Hannover 96 beerbt hatte. Oder besser: Beerben musste.
Víctor Valdés heißt der gute Mann.
Es war hochinteressant, mal aus erster Hand etwas aus dieser fremden Welt zu erfahren.
Und Teresa ist von geradezu überirdischer…
Ach, lassen wir das ;-)
Ist korrigiert, danke. Hochinteressant, das war es sicherlich. Und Ronald Reng ist klasse :-)
Ja, Beve, Ronald Reng ist klasse. Er spricht gut und schreibt noch besser.
Stimmt unwidersprochen!
Danke Beve für diesen Artikel, besonders auch für die Links zu den Berichten in der SZ und den 11Freunden.
Besonders erschüttert hat mich der Satz: „Von Suizidgedanken hat sich Enke laut Markser stets distanziert.“
(Leider bin ich zur Veranstaltung zu spät gekommen… )
Aber du warst da. Die Welt ist dann doch auch für hochbezahlte Fußballer kein ewiges Werbefrühstück mit Rama.