… sangen die Fans des AS Rom, obgleich Totti nur auf der Auswechselbank saß – im Pokalspiel gegen Sampdoria Genua. In der Südkurve saßen nicht nur die Supporter des Heimvereins, sondern auch acht Anhänger der Frankfurter Eintracht, genauer gesagt die Mitarbeiter der Fan geht vor – drei Stunden nach der Ankunft am Flughafen Roms.
Zwei Stunden Flugzeit gingen rasch vorüber, der Preis für ein Großraumtaxi war ebenso rasch ausgehandelt, wobei wir zuvor noch einen Rom-Pass organisiert hatten. Dieser Pass erlaubt nicht nur für drei Tage freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln, der freie Eintritt in gleich zwei der großen Sehenswürdigkeiten ist gleichfalls enthalten, für andere gäbe es Rabatt. Im Hotel angekommen, belegten wir die Zimmer und erhielten an der Rezeption den Hinweis, dass es Tickets in einem kleinen Shop nahe des Piazza della Repubblica gäbe. So setzte sich unser Trupp in Bewegung, in der Hoffnung, wenige Stunden vor Anpfiff noch Karten zu ergattern. Da es im italienischen Fußball die Tessara del Tifosi gibt, eine Karte, welche eine namentliche Registrierung bestätigt, war der Erwerb nicht sicher.
Der Ticketshop war klein und roch wie ein Ticketshop riecht, wenn er seit Ewigkeiten existiert und Tausende sich dort bereits mit Karten für Fußball und Konzerte versorgt haben. Wir mussten unsere Ausweise abgeben, die Namen wurden notiert und unsere personalisierten Tickets vor Ort direkt ausgedruckt. Zehn Euro kostete eines, dazu ein Euro Vorverkaufsgebühr, ein guter Preis; die Karten für das Ligaspiel der Roma am Sonntag sollten das doppelte kosten. Schnurstracks machten wir uns auf zum Bahnhof, Termini, von dort sollte uns der Bus Nummer 910 zum Olympiastadion auf der anderen Seite des Tibers bringen. Schnell noch Fahrscheine besorgt, die Einzelfahrt für 1,50, da der Roma-Pass ab morgen gelten sollte und schon rumpelten wir durch Rom.
Nur wenige Anhänger begleiteten uns im Bus, der an den Haltestellen nur anhielt, wenn jemand aussteigen wollte oder ein wartender Passagier die Hand hob. Nach schätzungsweise 35 Minuten erreichten wir das Stadion. Über eine Brücke marschierten wir über den Tiber, stoppten an einer Bude, die Paninos und Getränke feilbot und wunderten uns über den Mussolini-Obelisken, der vor dem Stadio Olimpico an den faschistischen Führer erinnert, renoviert und beleuchtet.
Wir erreichten nach kurzer Kontrolle unseren Eingang, Polizisten durchsuchten den ein oder anderen Tifosi, wir aber blieben unbehelligt und kamen nach ein paar Metern zu einem zweiten Eingang. Dort checkten elektronische Kartenleser die Tickets, durch ein Drehkreuz ging es dann Richtung Treppenaufgang. Es funktionierte reibungslos – bis ich an die Reihe kam. Rot leuchtete das Zeichen, das Kreuz blieb geschlossen. Wohlmeinende Italiener glaubten, ich sei am falschen Eingang, dem war aber nicht so, alle anderen waren ja schon drin. Fast, den Jörg neben mir schien das gleiche Problem zu haben. Wie durch Geisterhand aber ging nebenan ein metallenes Törchen auf, nicht nur unsere Karten wurden manuell entwertet und wir hatten es geschafft.
Unsere Plätze befanden sich am Rande der gut gefüllten Heimkurve relativ weit oben, die Übersicht war gut. Ein wenig erinnert das Stadion an unsere Arena, die Bedachung und vor allem die blauen Sitze gaben hierfür den Ausschlag, Logen schien es keine zu geben. Die gegenüberliegende Kurve war komplett leer, nur an der Seite stand ein kleines Grüppchen Genueser, für jeden von ihnen stand ein Ordner zur Verfügung, die sie umstanden.
Bei uns wedelten rot-gelbe Fahnen, Juve vaffanculo, Juve merda wurde skandiert, ein bisschen Rauch stieg in die Luft und Knaller böllerten in der Kurve. Teilweise richtig laut, was jedoch scheinbar niemanden interessierte. Kurz nach Anpfiff schien ein Fotograf getroffen, er wurde behandelt und humpelte dann in Begleitung von Sanitätern in die Katakomben. Auch das interessierte niemanden sonderlich. Und kurz nach Anpfiff folgte in der siebten Minute das 1:0 für die Römer. In der Folge entwickelte sich ein einseitiges Spiel, AS Rom spielte auf ein Tor, vergab aber beste Chancen. Die Anzeigetafel zeigte an der Seite den aktuellen Spielstand und die gespielte Zeit an, auf der weitaus größeren Fläche flackerte ununterbrochen Reklame während fliegende Händler Chips und Getränke verkauften. Die Heimkurve supportete, Haupt- und Gegentribüne schwieg.
In der zweiten Hälfte überließen die Römer den Gästen das Spiel, die jedoch zu keinen nennenswerten Chancen kamen, bei einigen Kontern hätte Rom das Spiel entscheiden können, traf aber nicht, so dass es kurz vor Schluss noch einmal spannend wurde – aber unter den Augen des Plüschmaskottchens Romolo, ein Wolf mit der Nummer 753, dem Gründungsjahr Roms, hatte das 1:0 auch nach 90 Minuten Bestand. Die Teams verschwanden in der Kabine, die Römer skandierten: C’e solo un Capitano und freuten sich über das Weiterkommen im Pokal.
Wir verließen das Stadion und wanderten zur Bushaltestelle, um uns hupte es, der Verkehr brauste und direkt vor der Haltestelle parkte längs unbehelligt ein PKW. Verschiedene Busse fuhren die Station an, da unser 910er jedoch nicht dabei war, entschieden wir uns, ein Stück zu laufen. Das Navigationssystem im Handy zeigte eine Strecke von 5,6 km zum Hotel an, und so marschierten wir am Tiber entlang, in der Hoffnung, auf dem Weg eine passende Gaststätte zu finden. Bis zum Park Villa Borghese fand sich jedoch nichts, wir wanderten durch die Dunkelheit Richtung Piazza del Popolo und erreichten beleuchtetes Gelände, kehrten in eine Trattoria ein und wurden trefflich bewirtet. Spaghetti Carbonara, Bruschetta und der Hauswein für sechs Euro der Liter – man konnte nicht meckern.
Später fuhren wir eine Station zur Spanischen Treppe, die wir beinahe menschenleer vorfanden. Einige Händler boten auch jetzt noch Laserlämpchen oder bunt leuchtende kleine Helikopter an, die sie in die Luft warfen, in der Hoffnung, ein Geschäft zu machen. Diese Bilder sollten sich in den folgenden Tagen an nahezu jeder touristischen Attraktion wiederholen. Und glaubt mir, es gab viele touristische Attraktionen. Langsam rückte der Stundenzeiger Richtung Mitternacht, die letzte U-Bahn war gefahren, und so liefen wir zurück Richtung Hotel. Da sich in dessen Nähe keine Kneipe anbot, beschlossen wir den Tag zu beenden und legten uns zur Nacht. Immerhin erwartete uns in den nächsten Tagen ein volles Programm.
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