Der Sommer ist heiß und sonnig, fallendes Wasser ist rar – das war vor wenigen Wochen noch ganz anders, der Winter zog sich grau und nass bis in den Juni, nahezu anämisch schlichen wir durch die Straßen und hüpften von Zeit zu Zeit von Sonnenstrahl zu Sonnenstrahl, derzeit kaum vorstellbar.
Das Erstrundenlos im DFB-Pokal bescherte der Frankfurter Eintracht das Regionalligateam des FV Illertissen, doch schon bald zeigte sich, dass die Partie nicht auf dem Lande ausgetragen wird, sondern im Luftlinie circa 75 km entfernten Augsburg.
Das war einerseits schade, da gerade die in ländlichen Regionen auf kleinen Sportplätzen ausgetragenen Erstrundenspiele ihren eigenen Reiz haben, vom Kleinkind bis zum Greis ist alles auf den Beinen – andererseits sind die Kapazitäten der Sportplätze nicht ausreichend für den Ansturm der Eintracht-Anhänger und auch die Sicherheitshüter heben mahnend den Zeigefinger. Also dann, Augsburg.
Ihr habt es ja schon mitbekommen, während all der Jahre hatten die Pia, der Beve und der silberne Golf eine verschworene Gemeinschaft gebildet, just auf dem Weg zum letzten Ligaspiel in Augsburg hatte sich der Motor des treuen aber zickigen Gesellen verabschiedet und als Nachfolger wurde ein Wagen auserkoren, der zwar weniger komfortabel aber unkomplizierter daherkommt, ein Dacia Logan Kombi, ohne alles in knallrot. Ostzonales Fahrfeeling, gemahnend an die frühen Achtziger, als der findige Autofahrer noch selbst ein Glühbirnchen austauschen konnte, ohne den Motor zu wechseln.
Gegen 10:30 Uhr rollten wir zur Tankstelle und kurz darauf auf die Autobahn, mangels Klimaanlage mit offenem Fenster, und steuerten gemächlich Richtung Würzburg. Sonntagsspiele haben den Vorteil fehlender LKWs auf der A3 und so zogen wir munter unsere Bahn, die Tachonadel zeigte beharrlich 120 und natürlich wurde das Ganze musikalisch untermalt. Neds Atomic Dustbin war dabei, Motorama, Depeche Mode, Carter USM und von Zeit zu Zeit ein pluggernder Elektronicsound von Exoplanet.
Bei Randersacker verließen wir die A3, rollten auf die Landstraße, tankten für kleineres Geld in Ochsenfurt und verloren mit der Zeit die Orientierung. Waren wir in Bayern? in Baden Württemberg? Vorbei gings an Rothenburg ob der Tauber, an Dinkelsbühl entlang der Romantischen Straße bis nahe Donauwörth der große Regen kam. Wir hatten die zunehmende Finsternis schon wahr genommen, als der Himmel seine Schleusen öffnete, als der Dacia nicht nur gewaschen, sondern von Windböen beinahe von der Straße gefegt wurde. Unter den Brücken begann sich das Wasser zu sammeln, die Scheibenwischer sausten mit aller Kraft, während die Reisegeschwindigkeit merklich gedrosselt wurde. Die Gegend um Augsburg zählt zu den gewitterintensivsten in Deutschland. Aha.
Als wir hinter dem Augsburger Bahnhof parkten, tröpfelte es noch, als wir ausstiegen hatten sich zwar kleine Seen auf den Gassen gebildet, der Himmel aber seine Tore geschlossen, frisch war es – aber zumindest trocken von oben. Wir schlenderten durch einen Tunnel voll von offiziell genehmigten Grafittis aus dem klassische Musik erklang und passierten eine Brauereigaststätte, welche via digitaler Speisekarte Speis und Trank offerierte. Ein rechter Ort zum … Ignorieren. Weiter gings per pedes durch die – man muss es ja erwähnen – Fuggerstadt, erste Eintrachtler grüßten freundlich derweil eine weitere Gaststätte zum Verweilen einlud – trotz ob des Hochwassers geschlossener Terrasse.
Kässpätzle oder Schweinebraten, dazu ein kleines Dunkles im König von Flandern – dies blieb anderen Eintrachtlern nicht verborgen – wir zogen alsbald weiter, plauderten mit Einheimischen über die bevorstehende Begegnung und landeten am Stadtgraben an einem lauschigen Plätzchen im Liliom, Kino und Gartenterasse bei rauschendem Wasser und der Option bei Münzverlust einen Wunsch zu äußern. Natürlich hatte das Kino Mittagspause, dies fiel jedoch nicht weiter ins Gewicht, da wir recht entspannt dem Wasser lauschten. Und schon gings zurück zum Auto, das uns recht flott Richtung Stadion brachte. Nun ja, es ist eine Arena vor den Toren der Stadt, wir konnten nun auch in Sinsheim oder sonstwo sein, parkten im gegenüberliegenden Industriegebiet und marschierten wohlgelaunt inmitten etlicher Adler Richtung Gästeeingang.
Hier war Roland auf der Suche nach Flo, dort trank RedZone noch eine Dose leer, derweil die Parkplätze für Oberbürgermeister und Vorstand des FCA noch auf die Wagen der Inhaber warteten. Einige Eintrachtfanbusse parkten vor der Arena, der Einlass ging flott, die Kurve war gut gefüllt – hoch droben fanden wir noch einen freundlichen Platz während ein toter Vogel im Kurvennetz hing. Nein, es war nicht Attila. Inmitten der Heimkurve harrten die Illertissener Anhänger des Spiels, die besonnte Gegentribüne war ordentlich gefüllt und dennoch sah das Ganze aus, als hätten sich einige Briefmarken in einem großen Album verloren. Von 30.000 Plätzen waren gerade einmal 6.000 besetzt – darunter sicherlich 3.000 Frankfurter.
11 davon schickten sich in den neuen Auswärtsleibchen an, den Einzug in die nächste Runde zu erreichen. Naturgemäß hatten die ganz in Blau gewandeten Illertissener etwas dagegen, es war ein mühsames Spiel ohne nennenswerte Torchancen für die Eintracht, bei der mit Flum, Joselu und Rosenthal gleich drei Neuzugänge agierten und dazu Russ in der Innenverteidigung. Das Tor hütete erwartungsgemäß Aykut Özer, der die gesperrten Trapp und Wiedwald ordentlich vertrat, am Ende stand ein zu Null, das spricht für ihn. Für unsere U23 sprach ein 3:1 Heimsieg gegen die zweite von Hoffenheim, die mehr oder weniger zeitgleich am Bornheimer Hang angeteten waren.
0:0 stand es hier zur Pause, man hätte die Zeit für ein Nickerchen nutzen sollen. Zwischenzeitlich hatten die Lilien die Gladbacher eliminiert, Saarbrücken die Bremer raus gekegelt und dennoch regte sich in uns keine Besorgnis, obwohl: Man weiß ja nie. Letztlich aber schaukelte die Eintracht die Partie über die Bühne, nach einer feinen Kombiantion über Meier und Jung erzielte Joselu den Führungstreffer und als sich Illertissen mehrfach in Richtung Eintrachttor bewegte, ballerte Rode die Kugel zum 2:0 Endstand ins Netz. Der Vogel hing immer noch da, die Eintrachtleistung ist salopp formuliert ausbaufähig und ehrlich gesagt hatten Inui und Aigner im letzten Jahr bleibendere Eindrücke hinterlassen als nun Flum und Rosenthal. Aber die Saison ist noch lang, im Grunde hat sie ja noch gar nicht angefangen und somit harren wir geduldig der Dinge, die da noch kommen werden. Der FSV hatte sich bei Optik Rathenow zu einem 3:1 gemüht, Nürnberg strich in Sandhausen die Segel, Braunschweig in Bielefeld und die Fortuna begrub ihre Hoffnung in Wiedenbrück wie St. Pauli in Münster. Das heißt also, Bielefeld in der nächsten Runde wäre als Gegner möglich. Das würde ich begrüßen, natürlich auswärts – aber wir werden uns noch gedulden müssen.
So marschierten wir bei beginnender Nachtdunkelheit trockenen Fußes zum parkenden Dacia, rollten auf die Landstraße nach Donauwörth, zöckelten mal hinter dem einzigen LKW hinterher, hüpften auf die Autobahn und winkten dem Parkplatz des Tages, Kurzmandl, höflich zu. Bruce Springsteen sang Out in the streets, wir ließen Würzburg hinter uns, dann Aschaffenburg und ehe wir uns versahen parkte der Golf Dacia wieder im Nordend. Kühltaschen mit Akkus sind ein Segen, die nächste Runde ist erreicht und die Romantische Straße auch ohne Fußball eine Reise wert. Soweit also die Erkenntnisse aus dem Pokalschlager gegen Illertissen, einem Ort, in dem allem Anschein nach allerdings noch nie ein Frankfurter war. Dort hatte jedoch während des nachmittäglichen Unwetters ein Blitz eingeschlagen – aber wir Frankfurter waren unschuldig, nicht dass der DFB noch ermittelt.
Ein schöner Ausflug war’s auf alle Fälle. Im Liliom hätte ich noch stundenlang sitzen können. Sehr nette Location – aber da gab’s ja noch Fußball. Der war nicht so berauschend wie der kleine Bach am Liliom.
Aber ich bin überzeugt, dass das alles besser wird. Auf erste Spiele geb ich mal rein gar nix.
Mahlzeit – ich dachte ICH hätte das letzte Auto Europas ohne Klimaanlage.
das zweitletzte – aber in unseres passt ne rolle dachpappe, mindestens.
Und eine Birne wechseln ohne in die Werkstatt fahren zu müssen, ist viiiel wert. Ich weiß, wovon ich rede, ich fahr nämlich einen Franzos‘.
Schön geschrieben. :-)
immerhin ist der dacia an renault angebandelt, spricht also auch französisch – aber mit dem dialekt des letzten jahrhunderts :-)
Endlich wieder unterwegs auf romantischen Straßen. Womit ist dann fast schon nebensächlich. Zumal wenn diese immer wunderbaren Geschichten erzählt werden … diese Bevegeschichten … analog irgendwie & immer gut! Vielen Dank!
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
solange man unterwegs sein kann, muss man dankbar sein. und ein auto zu besitzen ist auch luxus, auch wenn es eher schlicht daherkommt. mal schauen, wo’s noch hingeht :-)