Das Jahr neigt sich dem Ende zu, besinnliche Rückblicke allenthalben. Und wenn man so an dies und jenes denkt, da fallen sie einem wieder ein, die Trottel, die einem das Leben schwer machen. Hier mal eine beschauliche Auswahl. Auf die Idee brachte mich übrigens ein Blogbeitrag aus der Rückseite der Reeperbahn, immer einen Blick wert. Man möge mir verzeihen.
Konzerte sind eine tolle Sache, vor allem in kleinen Clubs. Handys sind gleichfalls eine nette Sache. Beides zusammen geht gar nicht. Der anonyme Trottel Nummer eins besitzt ein Handy und steht stets vor mir bei einem Konzert. Schon vom ersten Song an zückt er sein Handy und fotografiert. In der Regel mit Blitz, in der Regel vor allem die Hinterköpfe seiner Vorderleute. Die Band steht meterweit dahinter in diffusem Licht. Später videografiert der anonyme Trottel das zwanzigminütige Lieblingsstück, gepaart mit abrupten, kunstvollen Schwenks ins Publikum. Ich weiß: Die Ausleuchtung ist grauenvoll, gleichfalls der Ton und ich stehe dahinter und glotze abgelenkt vom Handygefuchtel auf den kleinen Monitor und statt elegisch die Atmosphäre zu genießen, kocht es in mir. Gehe ich woanders hin, steht dort der nächste anonyme Trottel und filmt. Falls nicht, wird sich binnen Sekunden der größte Konzertbesucher vor mich stellen. Ohne Handy.
Der nächste anonyme Trottel fährt gern Fahrrad. Das ist gesund und hält fit. Zur Sicherheit trägt der anonyme Trottel einen Helm. Dabei ignoriert er den Radweg und fährt mit breitbeinigem Selbstbewusstsein mitten auf der Straße. Ach, wie gerne würde ich einen klitzekleinen Schlenker machen und …
… wir kommen zum nächsten Trottel. Anonym. Meist weiblich, durchaus auch mal männlich ist sie/er stolze/r Mutter/Vater eines Babys. Im Laufe der letzten Wochen hat er die Brut zweihunderttausendmal fotografiert. Alle Bilder sehen nahezu gleich aus. Dann steht der anonyme Trottel vor dir an einem der Sofortdruckkästen einer Drogeriekette, natürlich am einzig funktionierenden Automaten und druckt in aller Seelenruhe Bilder aus. Und zwar alle. Für Eltern, Schwiegereltern, sich und die beste Freundin. Nach den ersten tausend dreht sie/er sich zu dir um und grinst verlegen: Eben war noch niemand da. Plopp fallen die nächsten Bilder ins Fach. 30 Sekunden später: Plopp. Und dann: Plopp. Plopp. So geht das eine viertel Stunde. Süßsäuerliches Lächeln meinerseits, denke: Na, das wird ja wohl bald vorbei sein. Plopp. Plopp. Plopp. Alle 30 Sekunden fünf Bilder. Du hoffst jedesmal, das waren die letzten, doch dann druckt der Automat fröhlich weiter. Urpötzlich Stille. Du entspannst dich, Gelassenheit durchströmt dich, das Warten hat sich also doch gelohnt. Und dann erscheint auf dem Drucker die Meldung: Papier ist alle, bitte wenden sie sich an einen Mitarbeiter. Und der ist natürlich in der Mittagspause.
Der nächste anonyme Trottel wohnt in der Wasserhofstraße. Jahrelang erreichte man durch diese kleine Gasse die Hauptstraße in Oberrad, um dort links abzubiegen. Das war praktisch. Dann besannen sich Anwohner und Bürgerinitiative darauf, dass diese kleine Straße etwas ganz besonderes ist. Die Straße wurde saniert, die Richtung der Einbahnstraße geändert und fortan quälte sich der Verkehr nebenan durch die Wehrstraße. Eine Ampel verzögert nun den Abbiegevorgang und manchmal stauen sich die Autos bis zur Eisenbahnbrücke. Bis zu zwei, drei Minuten länger ist nun der übliche Weg. Zweimal am Tag gefahren macht das freundlich gerechnet 4 Minuten täglich. An 250 Tagen im Jahr sind das 1000 Minuten, in 15 Jahren 150.000 Minuten. Also 2.500 Stunden. Oder anders formuliert: 104 Tage meines Lebens, die ich durchgängig nur an dieser einzigen Ampel verbringe. Zum Dank latscht stets, wenn ich nun nach unten fahre (dank einem künstlichem Hindernis mit maximal 15 km/h) einer der Anwohner mitten auf der Straße, obgleich natürlich ein Bürgersteig vorhanden ist. Sobald er dich hört, dreht er sich vorwurfsvoll um, du bist noch einhunder Meter entfernt. Er bleibt weiter in der Mitte, wedelt mit der Hand nach unten und erst wenn du unmittelbar hinter ihm bist, geht er schimpfend und vor allem in Zeitlupe Richtung Bürgersteig. Manchmal tut er so, als schreibe er deine Nummer auf. Wasserhofstraße. Oberrad.
Der nächste anonyme Trottel hat mir an der Konsti mein vorderes Fahrradlämpchen geklaut. Hundsgemein. Aber dir wünsche ich ein lebenslanges Runterfahren in der Wasserhofstraße. Oberrad.
Alles rauslassen und Nix mit ins Neue nehmen, ausser die 30 Punkte die sind sicher.
Sieh an, Beve ist einer der anonymen Autofahrertrottel die Radfahrer von „ihrer“ Strasse scheuchen wollen. Hätte ich dir jetzt nicht zugetraut.
Schnellinger, unanonym selbstbewußt ohne Helm dort fahrend wo er am schnellsten voran kommt und der weiß das wann Radwege der Benutzungspflicht unterliegen und wann nicht
genau so fahre ich auch. aber: ohne helm. und das ist der punkt.
Ach so. Dann sind wir uns ja einig ;-)
Handy-Konzert-Trottel sollte man übrigens schlagen dürfen. Genau so wie Trottel die mit stierem Blick aufs Smartphone zu Fuß auf die Gass laufen.
Hans-guck-in-die-Luft 2.0
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Sehr gut Beve – besonders die letzte Geschichte, in der der Eilige von der Gesellschaft zum moralisch Unterlegenen gemacht und ausgebremst wird, nährt in mir die Hoffnung, dass Du endlich Dein liberales Potenzial entfaltest.
Heute ab 17hundert Konste. Durst. Viel Durst.
Hallo lieber Beve, will einfach mal einen Gruß im neuen Jahr da lassen und freu mich drauf, wenn es hier bald wieder etwas zu lesen gibt. lgk
ergänzungsspier, das heißt libertär und nicht liberal :-)
rus, danke dir und nun gehts wohl weiter. die letzten wochen waren mit allerlei veränderungen voll gepackt, da bleib kaum zeit für nichts.
viele grüße
beve