Eben noch tollten wir in kurzen Hosen durchs Gesträuch und nun kommt die Kälte. Kein Grund aber für Pia, auf die orangenen Chucks zu verzichten, in denen sie bislang vor Ort ungeschlagen ist.
Heute haben wir es gut, die Abfahrt des Busses, der von den EFCs Alte Liebe, Backstage und Frankfurter Niveau organisiert wurde, findet direkt am Backstage statt, keine fünf Minuten Fußweg und wir sind kurz vor halb zehn vor Ort. Der Bus ist schon da und auch etliche Mitfahrer, die fleißig Getränke, Brötchen und Frikadellen in den Bus wuchten.
Die Sonne beleuchtet den anbrechenden Tag (der erste der Winterzeit), blau glänzt der Himmel und eisig glitzern die Scheiben der vorbeifahrenden Autos, mühsam von der Schicht Reif befreit, die von nun an treuer Begleiter durch die Jahreszeit sein wird. Auf den Stromkasten gegenüber hat irgend jemand FSV gemalt.
Um 9:55 ist auch der letzte Nachzügler eingetrudelt, der Bus setzt sich in Bewegung und unter den begleiteten Worten des als DJ angeheuerten Ergänzungsspielers tuckern wir auf die Autobahn. Gegen Diskriminierung, Rassismus und Toleranz. Fuck Stuttgart. Klare Ansage. Der Bus ist modern, eine Toilette ist an Bord (nur für Mädchen) und geraucht wird nur außerhalb. So ändern sich die Zeiten.
50 gutgelaunte Eintrachtler rollen mit Psychobilly, Ska und Independent-Songs durch den Tag, es gibt Flensburger und ein ganzes Fass voll Apfelwein, jeder bekommt einen Eintracht-Bierdeckel zwecks Strichliste; Johannes verteilt die Eintrittskarten, auf den Rastplätzen treffen wir alte Bekannte und alsbald steht die große Tombola an. Rosa Lose werden zum Stückpreis von einem Euro unter das Volk gebracht, ob die flapsige Ansage, dass jedes zweite Los gewinnt auch noch nach der Verlosung Gültigkeit hat, wird sich noch weisen. Fünf Lose wandern zu uns, ich drücke sie Pia in die Hand – bei all den Lotterien der Geiselgangster habe ich in den zurückliegenden Jahren noch nie etwas gewonnen – eine unschöne Tradition.
Es gibt Aufkleber und Schals, Bücher, einen Gartenzwerg, eine Nacht im Museum und einiges andere zu gewinnen; Pia ergattert einen Adventskalender, der traurige Gastwirt einen Stapel Bierdeckel, während sich Niko über einen Packen Aufkleber seines eigenen Fanclubs freut. Im hinteren Teil des Busses erklingen Stimmen, die von Schiebung sprechen – aus Trotz wird ein anderer Adventskalender leer gefuttert. Holger, der sich im Grunde seines Herzens sehr über den Gartenzwerg gefreut hätte, geht diesbezüglich leer aus. Höhepunkt der Verlosung sind zwei Gutscheine des Museums für eine Nacht im Stadion, welche der wortgewandte Moderator fröhlich im Zusammenhang mit einer Mitreisenden anbieten will. Diese lehnt entrüstet ab – und gewinnt dann tatsächlich die Tickets selbst.
Bierchen um Bierchen nähern wir uns Stuttgart und wie es in Stuttgart so ist, verfransen wir uns und rollen dennoch pünktlich am Stadion ein. Jede Menge Eintrachtbusse parken schon vor Ort, überall ein großes Hallo und nach einem Weilchen brechen wir auf Richtung Eingang. Kurze Kontrolle und schon stehen wir im fertig gestellten Stadion. Ein paar Schritte nach oben – und: Sie haben ihr Ziel erreicht.
Lange war das Stuttgarter Stadion eine Baustelle, nun ist es fertig, die Sicht war ausgezeichnet. An zwei Ecken ist die Arena nicht geschlossen, wir sehen Herbstbäume zwischen den Windlöchern, die Stuttgarter Kurve zeigt Spruchbänder: VfB-Fans für den Erhalt der Fankultur, später: Populistische Politiker und aktionistische Verbände zerstören die Fankultur. Viel mehr Möglichkeiten haben Fans ja nicht, um auf die herrschenden Problematiken einzugehen.
Die Eintracht ganz in Schwarz ohne Schwegler, dafür mit Lanig von Beginn an, auch mit Occean. Bei uns stehen neben den Mitfahrern alte Kameraden, hier ist Öri, da Tom und dort Kroni. Die Stuttgarter wedeln vor Anpfiff mit großen Fahnen auf dem Rasen, die Eintrachtler auf den Rängen recken Doppelhalter in die Luft, dann geht es los.
Der VfB bislang zuhause sieglos, zuletzt aber fraglos im Aufwind, hält gegen eine leicht zögerliche Eintracht dagegen und zack: Nach schlappen sechs Minuten die Führung des VfB durch Gentner. Die Eintracht kämpft, aber es fehlt der letzte Druck, das letzte Quäntchen Glück. Irgendwann schreibe ich die erste Hälfte gedanklich ab, es wird nichts mehr passieren – und so kommt es dann auch.
Auch während der zweiten Hälfte beschleicht mich das Gefühl, dass für die Eintracht heute nicht reichen wird. Auch wenn der unauffällige Inui durch Matmour ersetzt wird. Stuttgarts Stadionsprecher gibt alles, etwas Zurückhaltung wäre nicht verkehrt – und inmitten der Bemühungen der Eintracht fällt aus heiterem Himmel der Ausgleich. Alex Meier wummst die Kugel nahezu aus dem Stand ins Netz, verdient allemal doch etwas überraschend. 1:1, damit können wir leben. Nicht aber der VfB – in der 87. köpft Ibisevic die erneute Führung für die Schwaben. Und die Eintracht kommt noch einmal und da liegt der Ball im Tor. 2:2 – so denken wir, nicht aber das Schirigespann. Abseits. Prompt kommt die SMS: Betrug, das war nie und nimmer abseits. Aber es nutzt alles nicht, der Daimler-Angestellte Gagelmann pfeift in der Mercedes-Benz-Arena nach zwei Minuten Nachspielzeit pünktlich ab.
Verloren. Während die Schwaben feiern, ziehen wir unmittelbar nach Spielende missmutig ab. Und wie immer, wird die schlechte Laune noch mindestens bis zur Zeitungslektüre am nächsten Morgen anhalten. Der Sieg des VfB geht in Ordnung, eine Punkteteilung aber wäre in Ordnunger.Immerhin: Im Bus gibt es fantastische Frikadellenbrötchen.
Bald sind alle Mitreisenden an Bord, wir tuckern los. Wie immer dauert es in Stuttgart eine ganze Weile, bis wir auf der Autobahn Richtung Frankfurt freie Fahrt haben. Die Violent Femmes begleiten uns, Judge Dread oder Placebo. Manchesmal flammt ein Gesang auf: Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar, dritter Platz, tut schon weh, scheißegal, oh SGE. Ein Mitfahrer des EFC Backstage versucht sich traditionell über Mikro, doch der Chant Alouette, gentil alouette wird nicht wirklich goutiert. Immerhin: Der FSV Frankfurt hat sein Spiel gegen Regensburg gewonnen, die U23 der Eintracht aber zum wiederholten Male verloren. Wir passieren das Sinsheimer Stadion, dezentes Gepöbel. Die Mitreisenden geben sich verhalten, wir geben unsere Bestellungen für die Ankunft im Backstage auf und alsbald erreichen wir Frankfurt, das Backstage just in dem Moment als der Tatort zu Ende ist.
Noch einmal hallt es durch die Räume: Dritter Platz, tut schon weh, dann gibt es Schnitzel und Bier und die Erkenntnis, das zwar eine grandios organisierte Auswärtsfahrt hinter uns liegt, aber auch eine Niederlage der Eintracht. Pias orangene Chucks haben erstmals ihren Dienst versagt – immerhin kann sie sich nun bei den kommenden Spielen wettergerecht kleiden. Denn festes Schuhwerk ist nicht zu unterschätzen in den kalten Tagen. Und diese kommen. Ganz sicher.
klasse tour – aber kalte füße.
da den chucks der champions league status vorerst verweigert wurde werden sie jetzt in die sommerkiste gepackt.
muss man positiv sehen:
ich hab warme füße beim nächsten spiel und die eintracht kann durchaus auch in münchen gewinnen, obwohl ich samt chucks nicht vor ort bin.
großes dankeschön nochmal an die organisatoren der fahrt! hat riesigen spaß gemacht.
da der herr ergänzungsspieler auf der heimfahrt dermaßen schlapp war, blieben uns ja auch blutige ohren erspart. ein fröstelndes etwas kauerte da in der ersten reihe, fast war man gewillt, das eigene mäntelchen mit ihm zu teilen!
Wohl war: Dieser dritte Platz tut weh. Ich wollte einfach noch nicht landen. Wenn ich aber landen muss, dann bitte mit solchen Worten. Man fühlt sich nicht allein & wärmt fast so wie Winterschuhwerk. Danke!
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
Ach ja – *seufz*
Zum ersten Mal diese Saison keine bewegten Bilder sehen können. Von daher nehme ich den Bericht über den Ausflug umso dankbarer an, weil er, wie an dieser Stelle gute Tradition, ohne Hyperventilation auskommt.
Mal andersterrum gesungen – und zwar am Ende der Saison: Dritter Platz – das is schee. Könnte man sich doch glatt mit anfreunden.
Und, liebe Pia, versuch doch mal auf einem Deiner nächsten Ausflüge ein paar Lammfell gefütterte Booties zu ergattern, aber nur in Orange. Wer weiß …
Adilette, stinkisch Adilette…..
Ja, war eine sehr schöne Fahrt, bestens organisiert, nette Mitfahrer und gute Musik. Wenn wir nicht um den Punkt betrogen worden wären, der Ergänzungsspieler auf der Rückfahrt nicht geschwächelt und ich den Gaddezwersch gewonnen hätte, wäre es perfekt gewesen.. ;-)
Maaaaaahlzeit Beve. Mir gehts wieder besser. Die Fahrt hat eine solche Freude bereitet, dass ich mich auf der Hinfahrt schon böse verhoben habe.
Bin zu Hause wortlos an den Arzneischrank und ab ins Bett.
Auch von mir vielen Dank für die grandiose Organisation.
…ach ja – und die „jedes 2. Los gewinnt Legende“ hätte ich notfalls durch verlosen einzelner Aufkleber und Bierdeckel gestützt.
orange chaos :-)