Es war ein mühevoller Sieg der Frankfurter Eintracht über Energie Cottbus, der trotz des Platzverweises von Adlung in der 79. Minute in den Schlussminuten durchaus gefährdet war. Da hätte Jimmy Hoffer natürlich für Entspannung sorgen können, als er kurz vor der Mittellinie in Ballbesitz kam und der Cottbus Torhüter Kirschbaum noch in Frankfurts Hälfte verweilte. Doch statt eines strammen Schusses auf das verwaiste Tor oder einem präzisen Pass in den freien Raum verhedderte sich Hoffer und es blieb beim 1:0 – immerhin bis zum Schluss.
Drei Punkte, Gut so könnte man meinen. Und doch es gab es noch mehr als diese drei Punkte, etwas, dass wohl ewiglich in Erinnerung bleiben wird – zumindest für einen. Oder für sogar für zwei, die an jenem 04. März 2012 im Stadion waren.
Einer der beiden dürfte sicherlich Martin Fenin sein, der nach einer längeren Zwangspause vor ein paar Tagen wieder ins Training von Energie Cottbus eingestiegen ist – und sich sogar kurzzeitig Hoffnung machte, wieder im Kader zu stehen. Im Aufgebot für die Partie in Frankfurt stand er dann doch nicht, zu heftig die Beweggründe für seine Auszeit, zu kurz die Trainingszeit, aber er war dennoch dabei. Während des Spiels saß er auf der Bank der Cottbusser, zuvor hielt er eine kurze Ansprache über das Stadionmikro und noch davor hatten wir das große Glück, Martin Fenin auf unserer Waldtribüne begrüßen zu dürfen, die er unter großem Applaus betrat. Froh war er, wieder zuhause zu sein, hier im Waldstadion, wie er sagte und man spürte, dass er noch heute nicht so ganz begreifen kann, dass er nicht mehr das Trikot mit dem Adler tragen darf – obgleich die letzte Zeit in Frankfurt unter keinem allzuguten Stern stand; Verletzungen warfen ihn zurück und Trainer Skibbe baute auf andere; Fenin musste gegen seinen Willen die Zelte in Frankfurt abbrechen und fand in Cottbus einen neuen Verein, der nur zwei Autostunden von seiner eigentlichen Heimat, dem tschechischen Teplice, entfernt liegt. Die Ironie der Geschichte wollte, dass er gleich in seinem ersten Spiel für Energie auf die Eintracht traf, immerhin in Cottbus, wäre diese Partie in Frankfurt gewesen, so hätte es Fenin mehr als einen Stich versetzt, vor den eigenen Anhängern im falschen Trikot zu spielen. Damals errang die Eintracht in letzter Sekunde ein glückliches 3:3.
Höhepunkte in Fenins Frankfurter Zeit gab es einige, natürlich der fulminante Auftakt in seinem allerersten Spiel, gekrönt durch drei Tore beim 3:0 bei der Hertha und natürlich der sensationelle Siegtreffer in letzter Sekunde gegen die Bayern im März 2010, als die Eintracht binnen zwei Minuten ein schon fast verloren geglaubtes Spiel in einen Sieg wandeln konnte. Martin selbst jedoch beschreibt als eigenen Höhepunkt das erste Heimspiel im Stadion. Ein paar Tage nach dem 3:0 in Berlin traf die Eintracht auf Arminia Bielefeld und siegte vor über 43.000 Zuschauern mit 2:1 – und Fenin erzielte das zwischenzeitliche 2:0, der vierte Treffer im zweiten Spiel für Eintracht Frankfurt.
Obgleich der 16malige tschechische Nationalspieler sich noch leise Hoffnung macht, in den EM-Kader Tschechiens berufen zu werden, so steht für ihn fest, dass er auch im Falle der Nichtnominierung auf eigene Faust nach Polen und in die Ukraine reisen wird, um die EM zu erleben. Wer weiß, vielleicht führt in sein Weg eines Tages auch wieder zurück nach Frankfurt, viele Eintrachtfans aber auch Martin selbst würde es freuen.
Bei all der Begeisterung um unsere ehemalige Nummer 17 gingen die großartigen Auftritte von Doc Hermann, der wohlfeil aus der Historie des Gegners plauderte und von Öri, der als Leiter der KOS interessantes zur aktuellen Fandebatte beisteuern konnte, ein wenig unter. Nicht nur, dass Öri im Bundestag vor hochrangigen Vertretern der Politik die Situation aus Sicht der Basis schildern konnte; er mahnte auch die Vereine an, sich intensiver in den Prozess der Bestrafung nach diversen Fanverfehlungen einzumischen. Als positive Beispiele nannte Öri die Vertreter von Dynamo Dresden und Union Berlin. Nicht hinnehmbar seien Kollektivstrafen obgleich wie im Falle der Kassenrolle einzelne dingfest gemacht wurden, nicht hinnehmbar seien jedoch auch Böller und Leuchtspur, die ein erhebliches Gefahrenpotential in sich tragen. Wünschenswert wäre zudem, gerade in Frankfurt, ein intensiverer Dialog aller relevanter Fangruppierungen, um gemeinsam gegen die repressive Schiene seitens des Verbandes vorzugehen.
Soweit die Waldtribüne, vor der sich ganz kurz vor Ende noch zwei weitere Besucher einfanden, nämlich Papa Beve und mein kleiner Neffe Timm; ihr habt ja vielleicht schon mitbekommen, dass Timm großer Eintrachtfan ist und nun schon einige Spiele der Eintracht gesehen hat. Dies waren neben Freundschaftkicks in der Umgebung ein 0:4 gegen Hoffenheim, ein 0:3 gegen Hannover und ein 1:2 bei 1860 München – eine Bilanz, die natürlich aufs Gemüt schlägt. Der kleine Kerl hat sich bestimmt schon gedacht, hoffentlich liegts nicht an mir. Na und dann holpert die Eintracht los, als gelte es, jene Serie zu verlängern, eine Halbzeit zum vergessen. Timm, mit Eintracht-Kappe, Eintracht-Schal, Oka-Trikot gab alles. Im Herzen von Europa, schwarz-weiß wie Schnee, textsicher wie ein Großer sang er die Hymnen mit und fieberte dem Spiel entgegen und beobachtete alles ganz genau.
Und dann kam sie, die 69. Minute; Rode behauptete im Strafraum den Ball, flankte nach innen und Hoffer pfefferte die Kugel ins Netz, da hättet ihr Timm mal sehen sollen, Lachen, Freude, High Five – eine Last fiel von seinem Herzen und nachdem wir die letzten Minuten zwischen Hoffen und Bangen verbrachten, da war er endlich unter Dach und Fach, der erste Pflichtspielsieg von Timm. Auf dem Weg ins Fanhaus haben wir den Treffer noch etliche Male nachgespielt, d.h. Timm zeigte mir genau, wie es Rode und Hoffer gemacht haben und wie machtlos der Tormann war. Und er weiß jetzt ganz genau: Wenn die Eintracht verliert, dann liegt es gewiss nicht an ihm.
Fotos: Pia Geiger
@ Pia: sehr schöne Fotos ;-)
@ Beve: gestern war die PA schon an Ihrer Grenze angelangt, gibt es da noch mal ein Update diese Saison?
oh, da müssen wir mal drüber reden, bei uns oben wars ok ;-)
Unvergessene Momente damals in Berlin bei seinem Debüt. Und auch heute kann ich die Gefühle damals nicht in richtige Worte kleiden.
Früh übt sich der geneigte Eintrachtfan im Selbstzweifel. Gut das es die Momente gibt, die diesen in den Hintergrund treten lässt.
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
Danke Beve, ich freu mich immer wenn ich trotz der Ferne das Gefühl habe dabei gewesen zu sein. :-)
„ich wünsch mir spiele ohne leiden und dass die eintracht heut gewinnt“ heißt es in einem bei feiern gern gesungenem lied. möge der glaube die zweifel besiegen. schön, dass fritsch und jona dabei waren :-)
Hallo Beve,
auch von mir hat Martin gestern einen herzlichen Applaus bekommen. Ich freue mich sehr für ihn, dass er jetzt wohl den richtigen Weg gefunden hat.
Zum Spiel gibt es nur zu sagen: 3 Punkte sind 3 Punkte. Ich war mir allerdings mit meiner Sitznachbarin darin einig, dass wir solche Spiele nicht oft ertragen, da altert mann schneller…
Zur Kollektivstrafe: Auch ich als Eintracht Fan werde bestraft. Da ich nur 5 Gehminuten vom NW-Zentrum wohne und es dort einen Kartenvorverkauf gibt, kaufe ich mir dort meine Karte. Daher bin ich natürlich auch nicht bei der Eintracht als Käufer registriert. Jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr die Eintracht gegen Dresden anzufeuern. Ich finde das ohne Worte.
Danke an ALLE Beteiligten.
Viele Grüße
Beate
ja, das war ein sehr bewegender auftritt von martin. für ihn und für das publikum. ich hab’s ihm auf dem weg in die mixed zone auch nochmal gesagt, dass die vielen leute wegen ihm gekommen sind. schade, dass der zeitdruck da war, aber umso schöner, dass er trotz der vielen anfragen den weg zur waldtribüne gefunden hat.
danke martin und alles gute für dich!!!
beate, ich würde eine mail an das ticketing schreiben und den sachverhalt schildern. karten müsste es ja noch geben.
genau pia, so ist das :-)