Was haben ein Bass, ein Kettcar und eine Zigarrenkiste gemeinsam? Zugegeben, auf den ersten Blick nicht viel und doch eine ganze Menge. Um diese Frage jedoch ganz genau zu beantworten begeben wir uns ins Museum der Frankfurter Eintracht und schauen uns um. Und siehe da: Zur Dauerausstellung die mehr oder minder seit Ende 2007 zu sehen ist, gesellten sich jede Menge neue Exponate, die bei näherem Hinhören eine tolle Geschichte erzählen. Das Museum hatte nämlich Fans und dazu auch ehemalige Eintrachtler aufgerufen, besondere Erinnerungsstücke auszugraben um diese für die Dauer einer Sonderausstellung dem heimischen Wohnzimmer zu entreißen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und da die Eintrachtfans jede Menge schicke Sachen gesammelt haben, sind etliche großartige Exponate in den Vitrinen des Museums gelandet und können von nun ab hier bestaunt werden.
Ausstellungseröffnung war an einem regnerischen Donnerstag im August; gekommen waren nicht nur die Besitzer der Schätze sondern Interessierte und auch Helden von einst, wie Meistertorhüter Egon Loy oder der WM-Teilnehmer von 1966, Friedel Lutz. Auch Kurt E. Schmidt, der Grandseigneur der Eintracht schaute ebenso vorbei, wie der Enkel des Vereinsgründers Albert Pohlenk, Horst, der etwas ganz Besonderes mitgebracht hatte; eine silberne Zigarrenkiste seines Großvaters, die nahezu 100 Jahre auf dem Buckel hat, fast so viel, wie unsere Eintracht.
Kurt E. Schmidt muss seinen geliebten Pfefferminztee vorübergehend aus anderen Tassen trinken, wie gewohnt. Gut gelaunt erzählte er, dass er seit Jahren an jedem Tag drei Tassen Tee trinkt – natürlich aus Tassen mit dem Eintracht-Adler – die nun in einer Vitrine ausgestellt werden. Kurt ist mittlerweile über achtzig Jahre alt, man kann sagen, dass die Pfefferminze und der Adler nun wahrlich nicht schaden, ganz im Gegenteil.
In den Siebziger Jahren kamen die Kutten in Mode, jene ärmellosen Jeansjacken, bestickt und benäht mit allerlei Aufnähern; Kordeln und Sprüchen wie: Wir hassen den FC Bayern oder Together Forever – Eintracht und der MSV. Das Eintracht Museum aber präsentiert etwas ganz spezielles – nämlich eine bestickte Jeanshose von Renate Krause – mit Schlag natürlich, wie es sich für die Siebziger gehört. Namen wie Rüdiger Wenzel, Helmut Müller oder Ronny Borchers wurden aufgestickt und man sieht förmlich, wie die Bilder aus der guten alten Zeit vorbeiziehen, wie man ja auch das Meer rauschen hört, so man sich eine Muschel ans Ohr hält.
Auch die Spieler haben sich nicht lumpen lassen; an der Wand entdecken wir brav eingerahmt Jürgen Grabowskis allerersten Vertrag bei der Eintracht aus dem Jahr 1965, wir bewundern die Fußballschuhe von Matthias Hagner, mit denen er 1995 dem FC Bayern zwei Tore ins Netz gezaubert hatte und wir finden den Ausgehsakko von Uwe Bindewald, gepaart mit dem offiziellen Ausgehschlips, der so bunt und geschmacklos daher kommt, dass man es kaum glauben kann, dass so etwas außerhalb der Faschingszeit getragen wurde.
Die Band Tankard hat den Bass zur Verfügung gestellt, mit dem sie uns 2006 beim Pokalfinale in Berlin ordentlich eingeheizt haben, wir entdecken Frank Wagners Steinbrocken aus dem alten Waldstadion (weitere Steine dienen nun als Fundament für dessen Gartenhütte) und Thor Philippas Eintracht-Pin-Sammlung – über 300 der kleinen Anstecker warten säuberlich aufgereiht auf neugierige Besucher. Wer genau hinsieht entdeckt sogar einen, der das Wappen eines Nachbarvereins aufweist. Richtig, jener Verein besiegte auf dem Weg zum DFB-Pokalsieg 1970 unsere Eintracht – und das Museum scheut sich nicht, diesen Pin zu präsentieren. Ja, man muss auch dorthin gehen wo es weh tut. Nach Offenbach.
Großartig in Aussehen und Präsentation ist auch ein selbstgebautes Kettcar, dessen Krönung der Sitz ist, eine Sitzschale, abgeschraubt von den besseren Plätzen des ehemaligen Waldstadions und nun die einzigartige Unterlage des Kettcars. Der Enkel des Erbauers saust, wenn das Gefährt nicht gerade ein Museumsexponat ist, wohlgelaunt durch die Straßen und freut sich einen Ast über das einzige Haupttribünenkettcar der Welt.
Manchmal sind es die leisen Geschichten, die an unser Ohr dringen, die ein Leben erzählen, das längst vergangen ist und doch für Momente wieder aufblitzt, weil uns etwas in die Hände fällt, das magische Geschichten zu erzählen hat. Eine dieser Geschichten ist die Reise eines Ehepaares mit der Tochter aus Kiel anlässlich eines Eintracht-Spiels gegen Gladbach, das 1973 im hiesigen Stadion über den Rasen ging. Das Programm und das Foto, leicht vergilbt, zeigt die Reisenden stolz vor dem Stadion. Heute ist die Tochter längst erwachsen, die Eltern schon lange tot und doch bleiben sie durch die Erinnerung lebendiger als es mancher Erdbewohner noch zu Lebzeiten ist.
Ein unscheinbares Foto aus den frühen Neunziger Jahren, ein Torwart und ein kleiner Junge dahinter mit einem Stift in der Hand – dies ist der Stoff, aus dem große Geschichten gewebt werden. Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte das Eintracht Museum die Torhüter-Legende Uli Stein begrüßen. Zu diesem Zweck wurden alte Fotos ausgegraben, die für kleines Geld verkauft wurden. Einer der Gäste, Frank Assmann, besah sich die Fotos und runzelte bei einem davon die Stirn. Irgendetwas was anders. Und dann ratterte das Zahnrädchen im Hirn eine Runde weiter – und die Erkenntnis blitzte auf. Frank erkannte sich selbst auf dem zwanzig Jahre alten Foto – als kleiner Junge wartete er mit einem Stift in der Hand am Kabinengang, während Uli Stein sich aufs Spielfeld begeben will. Ehrensache, dass auch die Begegnung zwanzig Jahre später fotografiert und für die Ewigkeit festgehalten wurde.
Bei unserem Rundgang entdecken wir große Fahnen von Ulf aus der Rhön oder Axel Gonther, die seit Jahrzehnten im Stadion hängen. Die Fahnen natürlich, nicht die Besitzer. Wir entdecken den punktgenauen Nachbau der Arena aus Holz – angefertigt von Max Galys, einem Achtklässler, der lässig mit Kopfhörer um den Hals der Ausstellung beiwohnt. Wir finden den Ball, der doch eben erst in den letzten Spielminuten beim 2:1 Sieg ins Netz des FC Bayern gesegelt ist und wir entdecken ein Aufsatzheft des Journalisten Rainer Jourdan, der als kleiner Bub präzise beschrieben hat, wie es sich anfühlt, wenn die Eintracht im Europapokal der Landesmeister im Halbfinale die großen Glasgow Rangers mit 6:1 besiegt – wie damals, 1960. Zwanzig Jahre später endete die Karriere des vielleicht größten Eintrachtlers, Jürgen Grabowski, nach einem rüden Foul des Jungprofis Lothar Matthäus. Und das Eintrachtmuseum wäre nicht das Eintrachtmuseum, hätte es nicht auch dazu ein tolles Exponat aufgetrieben. Begann die Karriere des großartigen Grabi mit der Unterschrift 1965 unter den ersten Vertrag, so endete sie in einem schwarz-rot gestreiften Minoltatrikot mit der Nummer 10. Und exakt dieses Trikot aus dem letztem Spiel wurde dem Museum überreicht – auf dass der Kreis sich schließen möge. So dachten wir zunächst – denn bei genauerer Betrachtung zeigte es sich dann doch, dass das schöne Trikot zwar von Grabi getragen wurde, jedoch nicht bei dessen letztem Spiel.
Es lohnt sich dennoch, mal wieder im Museum vorbei zu schneien, denn neben den erwähnten Exponaten gibt es noch eine ganze Menge anderer Dinge zu bestaunen, die Geschichten aus einer Zeit erzählen, die wir die gute alte nennen – so wie die Gegenwart die gute alte Zeit von morgen sein wird. Auch wenn man es kaum für möglich hält.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fan geht vor – Ausgabe 199
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