Schon des Öfteren bin ich daran vorbei gelaufen, am ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld; auffällig sind von außen in erster Linie die Graffitis und Straßenkunstbilder, die auch hier im Blog schon Beachtung fanden. Doch was steckt eigentlich derzeit hinter der Fassade?
Seit Ende April 2009 nutzt die Initiative Faites votre jeu! das Gebäude als selbstverwaltetes Zentrum für die verschiedensten Veranstaltungen und Projekte und dokumentiert die Geschichte des Polizeigefängnisses in vielen Details. Erbaut im Jahr 1866 diente das Gefängnis noch bis 2001 als Abschiebeknast für politische Flüchtlinge.
Samstags zwischen 15 und 18 Uhr ist das Klapperfeld für die Öffentlichkeit zugänglich – und zeigt auf, unter welchen die Bedingungen die Gefangenen hier gehaust haben müssen. Während nicht nur im Keller die Gefangenen der Weimarer Republik oder der NS-Zeit gehalten wurden, dienten die oberen Zellen zuletzt als Abschiebeknast. Eine Kloschüssel, ein Waschbecken und ein eisernes Bett, mehr gab es nicht in den winzig kleinen Zellen, deren Wände von den Gefangenen beschrieben wurden; Zeichen von Menschen, die hier auf eine ungewisse Reise warten mussten. Was tun bei permanenter Abwesenheit des Daseins ist dort zu lesen – und es schnürt einem den Magen zu, wenn der unbedarfte Besucher versucht, sich in den Moment als diese Worte geschrieben wurden hinein zu versetzen. Einige Pin-Up Girls hängen noch an den Wänden; Bilder der Sehnsucht derer, die sich nicht mehr als 15 Minuten am Tag draußen bewegen durften – und ansonsten eingesperrt in den winzigen Zellen vegetierten. Wo mögen sie jetzt sein, die Menschen, die wie wir alle mit großen Träumen in die Welt spazierten und irgendwann in Frankfurt Klapperfeld gelandet sind?
Düsteres Zeugnis der finstersten Jahre zwischen 1933 und 1945 belegen die Informationen, die die Initiative Faites votre Jeu auf dem Rundgang im Keller angebracht hat; exemplarisch ein Auszug aus den Texten:
1942: Dramatische Zuspitzung der Haftbedingungen im Klapperfeld
Insbesondere für die Jahre 1942 bis 1945 weisen diverse Quellen auf besonders dramatische Zustände hin. Das Gefängnis war offenbar ständig überfüllt, was unter anderem auch darauf zurückzuführen ist, dass Häftlinge aus anderen Städten für einige Zeit dort untergebracht wurden, ehe sie weiter transportiert wurden.
Ein Gefängnisarzt beschrieb die Situation in einem Bericht vom Januar 1944 als so dramatisch, dass er selbst die kurzzeitige Begehung als eine Zumutung empfand und schließlich drohte, seiner Beschäftigung dort nicht mehr nachzugehen, sollte keine Änderung eintreten.
Die Zellen waren hoffnungslos überfüllt. Aus den Kübeln, die es anstelle von Toiletten gab, zog ein unerträglicher Gestank durch das ganze Haus, das Ungeziefer tummelte sich und viele der Häftlinge trugen nichts als Lumpen.
Das ehemalige Gefängnis beherbergt unzählige düstere Geschichten aus der Historie Frankfurts. Auf den Internetseiten der Initiative ist diese Historie dokumentiert, detaillierte Informationen sind aufgeführt; auch das dazugehörige Blog informiert regelmäßig über aktuelle Nachrichten. Hier könnt ihr euch eine Zusammenfassung der Dauerausstellung via PDF herunterladen, die Frankfurter Rundschau hat sich der Historie hier angenommen, die FNP hier. Dort wird auch die weitere Nutzung des Gebäudes thematisiert. Der Leiter des Liegenschaftsamtes, Alfred Gangel, wird wie folgt zitiert: Das alte Polizeigefängnis Klapperfeld ist hinsichtlich seiner Lage für Investoren ein Sahnestück, indessen nicht in puncto Architektur und Bausubstanz. Beides aber muss im Prinzip erhalten bleiben, denn das Zweckgebäude stehe unter Denkmalschutz … Das macht die Immobilie gewiss schwerer vermittelbar.
Sahnestück.
Im Blog der Visualizers könnt ihr euch Innenansichten des Klapperfelds anschauen; auch das StadtkindFFM hat sich dem Thema schon genähert. Und hier kommen noch ein paar Fotos aus dem ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld dazu:
schlimm und bedrückend. kann nur jedem empfehlen, sich das mal anzuschauen. man sollte allerdings etwas zeit mitbringen.
über einzelschicksale der gefangenen der ns-zeit wird zum teil ausführlicher berichtet. die zustände in den räumen zur zeiten der überbelegungen kann man nur erahnen.
oben bei den abschiebehäftlingen sieht man die ganzen sprüche in verschiedenen sprachen, die an tür, zimmerdecke oder wand hinterlassen wurden. verzweiflung und wut.
15 minuten hofgang – wenn überhaupt.
und das ist noch gar nicht solange her. unglaublich.
allerdings, man wähnt sich nicht im deutschland des 21. jahrhunderts.
Weinen. Schreien. Wütend sein. Und Bilder im Kopf malen. Ein bedrückender Moment, Beve. Die Bilder bleiben haften. Das ist gut so.
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
die bilder bleiben tatsächlich haften; mir wurde schon bei der vorstellung, dass sich die türe schließen würde, sobald ich in einer zelle war, mulmig.
viele grüße
beve
O-ha … Schon häufig dort mit Fragen im Kopf vorbeigelaufen. Viele sind beantwortet; neue sind aufgeworfen. Danke dafür!
bitteschön :-)
Danke für diese Geschichte (und die Bilder!). Das werde ich mir beim nächsten Rhein-Main-Besuch ansehen.
Mach dies Katja, das ist ein Erlebnis. Klingel vorher durch.
Viele Grüße
Beve
Bedrückend.
Sehr eindrucksvoll, Dank für die Vermittlung.
Ich bin überzeugt davon, dass Orte von den Schicksalen der Menschen, die dort gelebt haben, geprägt werden. Aber auch solche Prägungen sind veränderbar. Wäre ich ein Entscheider, ich würde alle meine Kraft und Enthusiasmus einsetzen, um Peter Zumthor für den Umbau zu gewinnen, innerhalb der definierten Grenzen. Vorgabe: ein Ort, an dem Flüchtlinge eine Zuflucht in Würde finden.
Beste Grüße as ever – ak / Matthias