Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Eintracht Frankfurt geht als Herbstmeisterin in die Rückrunde

In der Frauen-Bundesliga geht es derzeit spannend zu: Nach Abschluss der Hinrunde liegen Eintracht Frankfurt, Bayern München und Bayer Leverkusen punktgleich an der Spitze. Dahinter lauert der VfL Wolfsburg mit nur einem Punkt Rückstand. Dank eines überragenden Torverhältnisses von 35:5 geht Eintracht Frankfurt nach einem überzeugenden 3:0 gegen Leipzig als Spitzenreiter in die Rückrunde, die am kommenden Freitag in Jena beginnt.

Dass eines der fünf Gegentore im Oktober 2024 in der ARD-Sportschau zum Tor des Monats gewählt wurde, spricht für sich. Und dass es die bislang einzige Niederlage besiegelte, ebenfalls: Nur mit besonderen Leistungen sind die Eintracht-Frauen derzeit zu bezwingen. Sophie Weidauer von Werder Bremen gelang dieses Kunststück, als Eintracht Frankfurt vor wenigen Wochen erstmals als Tabellenführer in einen Spieltag gegangen war. Obwohl die Eintracht gegen Werder nahezu auf ein Tor spielte – wenngleich nicht allzu zwingend – entführte Bremen die drei Punkte aus dem Stadion am Brentanobad, und die schöne Tabellenführung war wieder perdu. Vorerst, wie wir heute wissen.

Ein paar Tage zuvor erzielte Remina Chiba gegen den SC Freiburg binnen vier (Schluss-)Minuten einen lupenreinen Hattrick – am Ende hieß es 6:0. Gegen den 1. FC Köln feierte die Eintracht sogar einen Rekordsieg: 8:0 stand es nach 90 Minuten. Deprimiert schlichen die Kölnerinnen vom Feld, höher hatte Eintracht Frankfurt in der Bundesliga noch nie gewonnen. Es ist also immer etwas los, wenn die Eintracht spielt – sogar an einem eisigen Montagabend. Auf der Anzeigetafel prangten heuer zur allgemeinen Verblüffung weder der Eintracht Adler noch das RB-Logo (weniger verblüffend). 3:0 lautete das Ergebnis, das am Ende des Abends die erneute Tabellenführung sicherte – ausgerechnet gegen RB Leipzig, einem Konstrukt, das genauso ein Ärgernis ist wie die Ansetzung des Spiels an einem Montag. Dagegen protestierten auch beide relevanten Fangruppierungen: Einerseits die Nutriabande, die zudem die zweite Ausgabe der Nutriabotin im Stadion verteilte, andererseits die Adlerträgerinnen. Während erstere sich bereits 2018 in der Endphase des 1. FFC Frankfurt gründeten und dessen Farben noch immer hochhalten, stehen die Adlerträgerinnen seit 2022 in der Tradition der EFCs von Eintracht Frankfurt, unterstützen jedoch vorwiegend die Eintracht-Fußball-Frauen.

Seit der Auflösung des FFC vereinnahmt Eintracht Frankfurt die Historie des aus der SG Praunheim hervorgegangenen Clubs, vernachlässigt dabei jedoch zuweilen die eigene Geschichte. Immerhin wird auch bei der SGE seit 2004 Frauenfußball gespielt. In früheren Jahren war der 1. FFC regelmäßiger Gegner der Eintracht, wenngleich auch nicht mit der ersten Mannschaft. Daher ist es als nachfolgender Lizenzinhaber einerseits völlig verständlich, die Geschichte des 1. FFC nach dessen Auflösung zu erzählen – aber als dessen eigene. Die Geschichte des Frauenfußballs bei der Eintracht ist eine andere– und beginnt 2004 in der Bezirksliga. Als die letzte Saison vor der Übernahme 2020 wegen Corona abgebrochen wurde, hätte die SGE – nach dem Verzicht vom SC Freiburg II – den Aufstieg in die 2. Liga aus eigener Kraft geschafft.

Rise and Fall
Am Tabellenende der ersten Liga rangiert derzeit Turbine Potsdam, lange Jahre die große und neben dem FCR Duisburg  einzige nationale Konkurrentin des 1. FFC. Zwischen 2001 und 2012 wurde entweder Potsdam oder der 1. FFC Deutscher Meister. Seither teilen sich Wolfsburg und Bayern die Titel. Potsdam, 2023 abgestiegen, sicherte sich ein Jahr später den Wiederaufstieg und trägt nun mit einem Punkt und einem einzigen geschossenen Tor nach 11 Spielen die rote Laterne. Dass die Lage nicht völlig aussichtslos ist, liegt einzig daran, dass es aufgrund der geplanten Aufstockung der ersten Liga auf 14 Teams in der Saison 2024/25 nur einen Absteiger geben wird – und Carl Zeiss Jena (zuvor FF USV Jena) nicht viel besser dasteht. Sogar der 1. FC Köln (vormals FFC Brauweiler Pulheim 2000) scheint zumindest theoretisch noch einholbar. Etwas enteilt ist die SGS Essen, der dritte Club, der von keinem Verein unterstützt wird, der auch im Männerfußball ein Profiteam stellt. Während Essen und Potsdam die letzten beiden Vertreter der reinen Frauenfußballmannschaften sind, kicken die Männer von Carl Zeiss Jena in der Regionalliga und damit an den großen Einnahmen vorbei. Dass Clubs wie Wolfsburg, Bayern, Leverkusen, aber auch unsere Eintracht, ihre Ausgaben nicht durch Einnahmen im Frauenfußball selbst erwirtschaften, liegt auf der Hand. Hatten Vereine wie Niederkirchen und Siegen  seinerzeit gegen wirtschaftlicher denkende Vereine wie den FFC und Potsdam das Nachsehen – so wurden diese wiederum im Laufe der Jahre von Bayern und Wolfsburg verdrängt. Und wäre der FFC nicht in der Eintracht aufgegangen, wäre auch dieser Verein auf Dauer nicht mehr zu halten gewesen, zumindest nicht auf erstklassigem Niveau – und Frankfurt als historische Stadt des Frauenfußballs aus der ersten Liga vorerst verschwunden.

Seit Einführung der eingleisigen Bundesliga der Frauen zur Saison 1997/98 wurden bis heute Teams aus nur fünf Städten und sechs Clubs Deutscher Meister und Vizemeister:

Frankfurt (FSV 1*Meister und FFC 7*Meister 4* Vize – vormals SG Praunheim 1*Vize)
Duisburg (FCR 1* Meister, 6*Vize)
Potsdam (Turbine 6*Meister, 4*Vize)
Wolfsburg (VfL 7*Meister, 6*Vize)
München (Bayern (5*Meister, 6*Vize)

Bayern München gründete übrigens seine Frauenfußballabteilung kurz vor Aufhebung des Verbots 1970 und feierte den ersten Meistertitel 1976 – als es die Bundesliga und den 1.FFC noch gar nicht gab und Oberst Schiel sowie der FSV Frankfurt den Frauenfußball in der Stadt am Main dominierten.

Montagsspiele
Immerhin zog es nun an einem eisigen Montagabend gegen die Vertreterinnen aus Leipzig knapp 3.000 Zuschauer:innen ins Brentanobad – so viele wie sich früher an einem sonnigen Samstag zum Spitzenspiel gegen Potsdam einfanden. Aus Fansicht sind Montagsspiele ein Übel, vor allem für Auswärtsfahrer:innen. Den Clubs jedoch ermöglichen die exklusiven Übertragungen einerseits verstärkte Sichtbarkeit des Frauenfußballs sowie andererseits externe TV-Gelder und damit Schritte in die Unabhängigkeit von den Zuschüssen des Männerfußballs. Wer gleichberechtigte Bezahlung fordert, muss erklären, wo das Geld herkommt. Und zwar nicht nur für Hoffenheim, Köln oder Freiburg, sondern auch für Essen oder Potsdam. Von daher ist die Vermarktung des Frauenfußballs eine ambivalente Geschichte, die diejenigen glücklich macht, die davon profitieren – aber auch ihre Opfer fordert. Die Akzeptanz dieser Vermarktung hängt letztlich auch mit der Verteilung der Gelder zusammen: Etwas, was traditionell sowohl gesellschaftlich aber auch beim Männerfußball gründlich in die Hose geht. Wobei eine Frauen-WM in Saudi-Arabien eigene Aspekte aufwerfen würde.

Unabhängig davon: Deutscher Meister wird nur die SGE!

6 Kommentare

  1. Natascha

    Dankeschön für die Zusammenfassung

    • Natascha

      Und noch kurze Ergänzung. Viele der Mitglieder des EFC Adlertraeerinnen waren ebenfalls schon zu FFC Zeiten regelmäßig Gast im Stadion. Nur eben nicht organisiert.

    • Beve

      Bitte :-)

  2. Frank

    Danke Beve. Ein schöne Lektüre zur Herbstmeisterschaft

    • Beve

      Gerne :-)

  3. Vatmier

    Feiner Artikel, es ist schön das der Switch vom FFC zur Eintracht, so gut gefunzt hat.
    Auch wenn mir die Problematik der verbleibenden „Traditionsvereinen“ bewusst ist, freue ich mich sehr, daß unsere Frauen so erfolgreich sind.

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