Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

Es ist niemals die Zeit, die vergeht …

… schreibt Ralf Rothmann in seinem Roman Wäldernacht. Ohja, Dinge vergehen, Menschen, Leben. Die Zeit aber bleibt. Denn sie weiß nichts von sich. Seit zwei Monaten habe ich hier nicht mehr gebloggt, absichtlos, es hat sich einfach so ergeben. Seit zwei Monaten habe ich so gut wie nicht mehr fotografiert, aus dem gleichen Grund. Ich habe nichts, was es wert schien oder war, aufgeschrieben zu werden, abgebildet zu werden – was nicht heißt, dass es nichts gegeben hätte.

Es ist ja viel passiert in den letzten Wochen, die Attentate in aller Welt, der Wandel in der Türkei, die Europameisterschaft, die Bundesligasommerpause, das Eichhörnchen auf dem Drahtzaun mit erschrockenem Blick – alles mit Liveticker dokumentiert, mit Kommentaren, Meinungen, kurz Worten bunt angemalt. Heute bin ich Charlie, morgen Paris, Brüssel, München, Istanbul, Aleppo. Übermorgen bekloppt. Man kommt ja kaum noch mit dem Wechseln der Profilbildchen bei Facebook nach. Kaum hole ich Luft zum Meinen, kommt das nächste Ereignis. Der Kopf eine Waschmaschine, was ist da eigentlich los? Drinnen wie draußen. Ich weiß es nicht, ich habe sogar zu vielem keine Meinung. Außer: Abwarten. Ich liege in meiner Hängematte aus Wind und warte ab. Bis mir ein kluger Gedanke zufliegt.

Wieder mal ein Sommer, der keiner war. Aber wir haben Glück, wir haben ihn erlebt. Die Brombeeren werden nichts dieses Jahr, dafür sind die Stechmücken umso lebendiger geraten. In jeglicher Hinsicht. Vielleicht ist es das Wissen, geliebt zu werden, vielleicht das Lieben selbst. Welches Zuversicht verspricht. Wer weiß das schon.

 

 

6 Kommentare

  1. Herr Ärmel

    Lieber Beve, solche Beiträge wie Deinen lese ich derzeit am Liebsten. Ein Mensch, der unaufgeregt dazu steht, keine Meinung zu allem um uns Umherschwirrenden zu haben. Der einfach ruhig ein- und ausatmet und abwarten kann.
    Vielen Dank dafür und schöne Grüsse,
    Herr Ärmel

    PS: ich hielt Dich für verschwunden, keine Nachrichten seit langer Zeit. Bis ich bemerkte, dass mein Abo auf Deinen feinen Blog irgendwo im Gedärm des Internets verschwunden ist. Neu abonniert, und schon klappts wieder.

    • Beve

      Unaufgeregt. Passt. Auch zu dir :-)

  2. Gregor Samsa der Jüngere

    „Zu vielem keine Meinung“ – oder eher keine Lust, kein Bedürfnis, den 397. Kommentar zu den immer gleichen Themen/Anlässen zu äußern? Oder den nervigen Pseudogewißheiten entgegenzutreten, mit denen wir täglich überschwemmt werden. Die Dummen sind sich ihrer Sache immer so sicher, die Klugen voller Zweifel. Aber wer ist hier klug, wer dumm?
    Der „große“ Philosoph Sloterdijk empfahl vor kurzem „Zurückhaltung als Basis-Habitus“, um im nächsten Atemzug „wohltemperierte Grausamkeit“ im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik zu fordern. Soll man das kommentieren, sich aufregen, abwarten,sich bestätigt fühlen, „endlich sagt’s mal einer“, oder sich wieder hinlegen? Wahrscheinlich haben wir von all dem Tendenzen in uns. Ist ja auch nicht schlimm.
    Und was die Zeit angeht, wußte schon Seneca: „Ein kleiner Teil des Lebens ist’s, in dem wir leben. Die restliche Lebenszeit ist nicht Leben, sondern nur Zeit.“ Machen wir was draus.

    • Beve

      Die Lust ist das eine, aber zu vielem fällt mir auf, dass ich – so geneigt, etwas zu sagen – mich gerne aus dem Repertoire bediene. Ob das jedoch noch gültig ist, wird derzeit überprüft.

  3. Kid

    Ich war weder Charlie noch sonst was, bin und bleibe einfach immer nur der Kid, der zu vielem eine Meinung hat und von dieser nicht mehr hält als ihr zusteht. Ja, es ist zu viel und es ist zu schnell. Es geht mir so ähnlich wie Tucholsky: „Wenn ich jetzt sterben müsste, würde ich sagen: Das war alles? – Und: Ich habe es nicht so richtig verstanden. Und: Es war ein bisschen laut.“

    Der Song von Xavier Rudd ist es nicht. Er ist schlicht und sehr schön. Tramp, der neben mir liegt, während ich das hier schreibe, scheinen die Klänge auch zu gefallen. Er hat sich gerade auf den Rücken gedreht und das ist bei ihm ein Zeichen dafür, dass er sich entspannt.

  4. Beve

    Tramp entspannt bei Xavier Rudd. Das geht mir genauso :-)

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