Ein Sammelsurium aus dem angebrochenen Leben

#Auf Jetzt!

Im Prinzip ist die Sache relativ klar. Die Liga ist zementiert und gleichzeitig variabel. Die finanzstarken Clubs positionieren sich oben, Bayern, Dortmund, Leverkusen, Schalke, Wolfsburg und seit fünf Jahren auch Mönchengladbach. Der Rest kloppt sich um Platz sieben bis achtzehn, es sei denn, einer der Großen tritt unter seinen Möglichkeiten auf – dann hat ein „kleiner“ Club die Chance, international zu spielen – und sich im besten Falle darüber zu entwickeln. Meist waren internationale Platzierungen jedoch Eintagsfliegen.

So wie 2013 die Eintracht und Freiburg. Oder im vergangenen Jahr Augsburg. Die unbedingte Behauptung eines „kleinen“ Clubs, sich international platzieren zu wollen, hört man selten, selbst Mainz 05 geht mit der Vorgabe „Klassenerhalt“ in die jeweilige Saison – und erledigt diese Aufgabe seit 2009 souverän. Von den jeweiligen Aufsteigern aber ist in den vergangenen Jahren zuverlässig mindestens einer postwendend wieder abgestiegen, Fürth, Düsseldorf, Braunschweig, Paderborn – somit bleiben ein Abstiegsplatz sowie der Relegationsplatz vakant. Gerne balgten sich darum Freiburg, Nürnberg oder der HSV. Erstere spielen zweitklassig, letzterer hat sich halbwegs gefangen. Daraus folgt, dass im Falle des Ligaverbleibs beider Aufsteiger etablierte Clubs den Gang nach unten antreten müssen; Clubs, die per se das Potential haben, auch glücklicher Sechster zu werden. Stuttgart, Frankfurt, Köln, Bremen, Hannover, Hertha, HSV, Augsburg, auch Hoffenheim und letztlich auch Mainz.

Welcher dieser Clubs international spielt, welcher Club absteigt lässt sich kaum vorhersagen, die Nuancen in der Leistungsdichte sind kaum messbar – selbst einige Milliönchen mehr oder weniger spielen keine Rolle. Die hochgelobten Hoffenheimer hatten sich vor Jahren nur durch einen überraschenden finalen Auswärtssieg in Dortmund in die Relegation gerettet – und diese gegen Kaiserslauten dominiert, der HSV war eigentlich schon zweitklassig und ist doch wieder oben dabei. Und der Aufschwung der Gladbacher war nur durch die katastrophale Rückrunde der Schande der Eintracht möglich.

Dieses Jahr weigern sich Ingolstadt und Darmstadt abzusteigen, dafür stehen Hannover und eben auch die Eintracht mit dem Rücken zur Wand. Und auch wenn allerorten kolportiert wird, der Eintracht helfe nun nur noch ein Wunder oder beten, so ist das nicht ganz richtig, denn bei allem Respekt: Ein Heimsieg gegen Mainz, ein Auswärtssieg in Darmstadt, ein Punkt gegen Dortmund und ein Sieg in Bremen wären keine Wunder – auch trotz der geringen Torausbeute der Eintracht in den vergangenen Wochen. Vor der Saison hätte man über den Begriff „Wunder“ angesichts der Konstellation milde gelächelt. Aufgrund der jeweiligen Erfolgs- und Negativspiralen der Saison verbietet sich jedoch auch das milde Lächeln. Machbar ist es allerdings allemal.

Gleichermaßen gibt es Gründe, weshalb die Clubs unten stehen, die unten stehen – bei der Eintracht zeigt sich dies eindeutig an der Anzahl der erzielten Tore. 14 Spiele ohne eigenen Treffer ergeben keine Punkte. „Ja wenn man sich auf einen einzigen Spieler verlässt ist man verlassen“ so wird die Misere analysiert und gemeint ist natürlich Alex Meier. Dabei ist dies eigentlich Unfug, noch im vergangenen Jahr hatten Aigner neun und Seferovic 10 Tore erzielt – und dazu wurde mit Castaignos ein Spieler verpflichtet, der zusätzliche Treffer erzielen sollte, was er bis zu seiner Verletzung auch geschafft hat. Bislang hat Aigner ein einziges Törchen geschossen, Seferovic deren drei – und damit haben wir schon einen wesentlichen Aspekt des Untergangs. Beide Spieler wurden vor der Saison zu anderen Vereinen gerüchtet. Die Eintracht hat sie gehalten – und nicht wenige waren froh darüber. Vorhersehbar war die Torflaute der beiden jedoch nicht.

Vorhersehbar war der Absturz der Eintracht generell nicht. Die Mannschaft, die letztes Jahr zu Recht Neunter wurde, wurde bis auf einige wenige Abgänge gehalten – und der Abgang, der vermeintlich am meisten schmerzte, Kevin Trapp, wurde durch Lukas Hradecky kompensiert. Piazon oder Valdez wird niemand groß hinterher geweint haben und auch beim Abgang von Inui, den ich als einer von wenigen bedauert habe, da dessen einszuein Fähigkeiten bei allen Schwächen bemerkenswert waren, wurden keine Tränen vergossen. Madlung wurde durch Abraham ersetzt, ein Wechsel, der das Team auf dem Platz nicht geschwächt hat. Bleibt Kadlec, der weder unter Veh noch unter Schaaf seine Ablöse gerechtfertigt hat.

Im Großen und Ganzen hatte Eintracht Frankfurt vor der Saison einen Kader, dem zumindest zugetraut wurde, den Vorjahresplatz zu wiederholen, wenn auch auf der Position des Rechtsverteidigers eine Alternative zu Chandler wünschenswert gewesen wäre. Links hinten konnten wir mit Oczipka und Djakpa leben. Und im Ernst, war eine Eintracht mit Hradecky – Chandler, Zambrano, Abraham, Oczipka – Hasebe, Kittel, Stendera, Aigner – Seferovic, Meier und den Alternativen Russ, Castaignos, Waldschmidt, Djakpa, Reinartz, Kadlec ein Abstiegskandidat? Zumal Reinartz im letzten Spiel der vergangenen Saison im Trikot von Leverkusen unseren Beifall  gefunden hatte.

So schlecht sah das alles nicht aus – und wer nun auf Bruno Hübner einprügelt, möge dies bedenken. Eine ganz andere Baustelle war die Position des Trainers, die Rückholaktion von Veh wurde von vielen als das gesehen, was sie war: Ein Fehler. Vehs Bilanz des letzten Jahres in Frankfurt, der Abschied, die Performance mit dem VfB, es waren keine Arbeitsnachweise, die eine Neuverpflichtung gerechtfertigt hätten und ein Abbild dessen lieferte die Eintracht auch ab – mit den Negativhöhepunkten in Aue, Ingolstadt und gegen Darmstadt. Das Festhalten an Hasebe als rechter Verteidiger, die permanente Berücksichtigung von Oczipka trotz augenscheinlicher Formschwäche, mangelnde Spielintelligenz, überschaubare Motivation – all dies waren Bausteine des Niedergangs. Dazu kommen – unter wessen Ägide auch immer – die Winterneuzugänge, von denen Stand heute niemand der Eintracht weiter geholfen hat.

All dies sind keine Geheimnisse, aber noch sind vier Spiele zu absolvieren, noch ist Eintracht Frankfurt nicht abgestiegen. Und von daher ist derzeit alles hättewärewenn irrelevant, was zählt sind Einsatzwille, der dem Team nie abzusprechen war, eine strukturierte Defensive, die unter der Handschrift des neuen Trainers Niko Kovac zu erkennen ist und das Quäntchen Glück beim Torabschluss. Wunder? Wir brauchen kein Wunder, wir brauchen eine selbstbewusste Eintracht, auf dem Platz und im Umfeld. Wie hieß es neulich so schön? Wir weinen nicht im Krankenhaus. Wir weinen am Grab. Und wir tanzen, wenn sich Sonny Kittel in den Fußstapfen eines Fjörtoft, eines Schurs verewigt.

Auf jetzt!

22 Kommentare

  1. Pia

    AUF JETZT!!!

  2. Beve

    !

  3. Adler70

    Sehr guter Beitrag!

  4. Nidda-Pflanz

    Bewundere Deine Sichtweise, die mir schon seit längerem weggelaufen ist.
    Natürlich wünscht sich jeder Fan noch 10 Punkte, aber wie soll das gehen ohne Knipser?
    Die 60 Minuten in Leverkusen lassen hoffen, aber nur, wenn solch eine Leistung auch mit Toren belohnt wird.

  5. Beve

    Vielleicht reicht ja ein einziges Törchen – und der Knoten platzt.

  6. MonacoAquila

    So sieht’s aus! Auf Jetzt!

    Warum wird überall so getan als sei der Abstieg beschlossene Sache? Ein Wunder? Es ist doch kein Wunder zuhause gegen Mainz zu gewinnen und dann in Darmstadt, für die es um nichts mehr geht und dann ein Endspiel in Bremen zu haben.
    Den Kader haben alle vor der Saison für extrem offensivstart gehalten. Ich war mehrfach beim Training in der Sommervorbereitung. Und ich war sprachlos ob der gesehenen Übungen. Ich habe es mir so erklärt, dass ich die „richtigen“ Trainingseinheiten verpasst habe…scheinbar ein Trugschluss.

    #AufJetzt!!!!!
    Heimsieg.

  7. Haddekuche

    Toller Beitrag – nüchtern, wo Nüchternheit Not tut. Leidenschaft, wo Leidenschaft gebraucht wird.

    Kopf hoch, Brust raus. Mancher fragt: Gegen wen soll die Eintracht denn noch gewinnen? Dumme Frage. Gegen Mainz und Darmstadt natürlich! Dann sehen wir weiter.

    Auf Jetzt!

  8. Rasender Falkenmayer

    Veh hat die Mannschaft kaputtrainiert. Genau so sieht es aus. Erstaunlich, wie ein Dilettant eine ganze Gruppe versauen kann, wenn es insgesamt knapp ist. Danke Beve.

  9. Aabeemick

    Super zusammengefasst, Beve.

    Und auch wenn der Verstand was anderes sagt: Die klitzekleine Flamme Hoffnung, noch ist sie nicht erloschen.
    Auf Jetzt! Erstmal Mainz wegfiedeln, dann sehen wir weiter.

    Und davor, ich hätte es mir vor gar nicht allzu langer Zeit nicht vorstellen können, sollten wir dem HaEssVau in Nord-Derby am Freitag alle Daumen drücken.

  10. Scheibu

    Sehr schöner Beitrag Beve

  11. Schildkröte

    Hör uff, hasse Scheiße am Fuß, hasse Scheiße am Fuß. Is´ so !!!

    Ende, Aus, Fertig, Tür zu ! Und nächste Saison die Jungs aus Dresden im Waldstadion. Naaa super.

  12. Kroni

    Danke Beve, entspricht auch meiner Sichtweise der Dinge ! Chapeau !

  13. Marco Langlitz

    Absolut gelungen und mir aus dem Herzen geschrieben. Hut ab Beve!

  14. Simone

    Tja Beve, wie so oft hast Du meine vollste Zustimmung .

    Rufe Dir/Euch/Uns ein lautes : AUF JETZT !!!!! zu.

  15. Gregor Samsa der Jüngere

    Sicherlich guter Artikel, aber letztendlich auch nur ne verkappte Durchhalteparole. Kann zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich nicht anders ausfallen. Ich schwanke wie’n Grashalm zur Zeit. Ist ein Artikel mit Substanz angereichert, stimme ich spontan zu, auch wenn ich vorher einem konträr anderen Artikel ebenfalls zugestimmt habe. Selten solchen Stimmungsschwankungen ausgesetzt wie in dieser Saison.

  16. Micha

    Schön zusammengefasst Beve.

    Und Inui vermisse ich auch.
    Auch da ja immer beklagt wurde, dass unsere Spieler zu langsam seien,
    hab ich nie verstanden warum er gehen durfte.

    Trotzdem:
    Auf jetzt, Tore schießen!!!!

  17. Feuerjosef

    Sehr schön. Macht erstmal Mut. Die Strukturen ändern sich sowieso nicht, ob 1. oder 2. Liga.

  18. Tom

    „Jetzt ist die Zeit für Helden.“ Jan Age Fjörtoft.
    Unser Eintracht-Retter von 1999 hatte auch mal eine Phase, in der er keine Tore schoss. Wie er mit seiner Ladehemmung umging?
    „Es waren die schrecklichsten dreißig Minuten in meinem Leben.“

    In diesem Sinne: Tore, Tore, Tore. Jetzt.

    Danke auch von mir, lieber Beve. Dein Beitrag hat mir gut getan.

  19. Beve

    Danke für euer feedback, möge die Eintracht unsere Signale umsetzen!

  20. fg-sge

    Endlich schreibst du wieder Beve , wurd auch Zeit :-) Inhaltlich ist das Balsam für meine geschundene Eintracht Seele. Hoffe auch auf den initial 3er gegen M1.

  21. ak

    Yes, Sir, so ist es. Lassen wir die Kühe ruhig auf dem Eis und die trockenen Tücher da wo sie hingehören: im Schrank. Was bitte sollten wir mit einem umgestoßenen Bock? Nein, was wir brauchen ist tatsächlich

    DER PLATZENDE KNOTEN

    Ein PENG-Ereignis, durch und durch. Erfrischend. Belebend. Am besten gleich gegen die M1er. Allerallerspätestens in Darmstadt. Wenn die Eintracht noch die Eintracht ist, ist die dann allemal gut für die rettende Kurz- und Final-Serie. Neue mögliche Legenden zeichnen sich am Horizont ab. Aber er muss erst platzen, der Knoten. Nimmer lang dran rumknobbeln. Dann schon lieber die Alexander-Methode und: zack.

  22. Beve

    Es darf halt nur nicht der Bock platzen und der Knoten umgestoßen werden …

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