Sawadee khrap. Ein neuer Tag. Durch das Schreiben ist es gestern doch recht spät geworden, in mein Zimmer drang noch das vereinzelte Knattern der Boote, während ich in meinem Saft schwitzte und versuchte zu skypen, allein das Wlan war zu schwach. Dann übermannte mich ein tiefer, traumloser Schlaf.
Ich fühlte mich leicht gerädert, trank einen Schluck Wasser und knabberte an einem Sesamkeks, den ich noch aus dem Flieger in China hatte. Nach hiesiger Zeit war es 7:30, das heißt: Raus in die warme Welt. Aber gemächlich. Nach einer Zigarette am Fluss, ging ich frühstücken, Kaffee und Müsli hatten sich bewährt, dabei beschäftigte ich mich mit der Weiterreise. Die erste Idee lautete, Richtung Koh Chang zu fahren. Da diese Insel jedoch für eine Rundreise etwas abseits liegt, entschloss ich mich, Richtung Ranong zu orientieren. An der Westküste, direkt neben Myanmar gelegen, vielleicht eine schöne nächste Etappe. Von dort fahren Boote auf kleine Inseln, eine weitere Station könnte Krabi weiter südlich sein. Letztlich muss ich mich am 17. April wieder in Bangkok einfinden, dann geht der Flieger Richtung Heimat. Zuvor böte sich die letzten Tage Chiang Mai im Norden an, dann wird hier auch der Jahreswechsel gefeiert, dem Vernehmen nach, ein Spektakel. Aber bis dahin sind es noch vier Wochen, erstmal schauen, was nachher passiert.
Meine wunden Oberschenkel waren alles andere als geheilt, aber der Versuch eines Spazierganges muss drin sein, zumal auf dem geplanten Weg zum Wat Pho einige Wasser-Haltestellen auf dem Weg liegen. Ich erreiche ein Pier, das Boot mit der orangenen Flagge legt jedoch bei meiner Ankunft gerade ab, 30 Minuten warten oder weiter gehen? Übermütig gehe ich weiter, spaziere am Ufer entlang und an der Mensa einer Universität vorbei, leider bin ich nicht mehr hungrig. Flo hatte mir geraten, einmal in einer Mensa zu essen, immerhin weiß ich jetzt wenigstens, wo eine ist. Kurz danach löse ich ein Boots-Ticket, und wundere mich, dass es nur drei Baht kostet; eigentlich wären 15 fällig. Als ich die Sperre passiere, weiß ich auch, weshalb: Ich habe eine Fluss Überfahrt erwischt, ein reizvoller Gedanke, aber nicht mein Ziel. Aber es gibt kein Zurück, die junge Dame am Schalter ist überzeugt, dass alles stimmt. Im End kommt die Fähre und ich schipper über den Fluss, war klar. Never trust a stranger. Vor allem keinem Fremden. Ich habe gelesen, ehe der Thai sein Gesicht verliert, überlässt er mich meinem Schicksal. Aber das ist nicht weiter tragisch. Zumal mich auf der anderen Seite direkt am Pier ein riesiger Markt erwartet. Es dampft, es brutztelt, bunte Klamotten hängen in zig Ständen und ich verliere mich zwischen all diesen Sachen. Fremde sind hier keine, die Preise sind ausgezeichnet ausgezeichnet. Noch kaufe ich nichts, aber wer weiß, wie es am Ende meiner Reise aussieht. Obwohl, ein buntes Münzportemonnaiechen wechselt für 20 Baht den Besitzer. Manchmal schickt dich dieses große Etwas genau dahin, wo du hin willst, ohne dass du es weißt. Wenn man es erkennt, hat man Glück.
Alsbald bringt mich eine weitere Fähre zurück auf die belebtere Seite der Stadt, wobei mir der andere Teil bislang recht gut gefällt, die Reisenden besuchen die Sehenswürdigkeiten, drüben ist vermeintlich unspektakulärer Alltag, dessen Erscheinungsformen jedoch für das europäische Auge hochinteressant sind. Zumindest für meines.
Ich laufe Richtung Tempel, lasse den Königspalast erneut links liegen, meine Beine machen sich bemerkbar, doch schleppe ich mich die paar Schritte weiter zum Wat Pho. Das markanteste an diesem Tempel ist sicherlich der liegende Buddha, ganz in Gold erstreckt er sich durch eine ganze Halle. Überall wird fotografiert, die Buddhisten spenden Münzen in eine Reihe von schwarzen Spendentöpfen. Weiter hinten in den kleineren Tempeln wird es ruhiger, kleinere goldene Buddhas unterschiedlichster Form sind in den Räumen zu sehen, die Anlage aber gemahnt ans Chinesische. Dennoch lohnen sich die 100 Baht Eintritt. Der Fremde bekommt sogar noch ein Fläschchen Wasser dazu. Hochberühmt sind hier die Massagen im Tempel, kaum laufe ich an den Räumlichkeiten vorbei, werde ich auch schon angesprochen. Und da ich auf Ansprachen nicht reagiere, auch auf buddhistische nicht, haben sie soeben einen Kunden verloren. Massageangebote gibt es aber vor allem in meiner größeren derzeitigen Heimstraße an vielen Ecken und Enden.
Einige Schritte vom Tempel entfernt, lande ich im El Dorado für Buddhafiguren, deren Dekozwecke laut offizieller Lesart respektlos sind. Aber ein Laden reiht sich an den nächsten, große goldene Buddhas gibt es zu kaufen und kleine goldene Buddhas gibt es zu kaufen. Tausende und Abertausende. Ich fotografiere ein paar. Vielleicht werde ich allen Respektlosigkeiten zum Trotz eines Tages doch einen dieser Kerle in mein Säcklein stecken. Trotz des frühen Nachmittages mache ich mich auf den Heimweg, ich kann schlicht nicht mehr laufen. Durch eins, zwei kleine Zwischenmahlzeiten gestärkt, laufe ich an einem Klong entlang, dies sind kleine Kanäle, die in den Chaio Praya münden. Derweil halte ich Ausschau nach einem Reisebüro, finde in der Thanon Phra Sunsen auch eines, nicht all zu weit von meinem Guesthouse entfernt. Da ich jedoch zuvor noch einmal im Netz recherchieren will, merke ich es mir und stehe eine viertel Stunde später unter der Dusche. Das Wasser ist nicht heiß, aber es reicht bei der Hitze völlig aus, meine Nivea Creme ist anschließend Balsam auf die geschundenen Beine.
Erneut sitze ich am Fluss, Bootchen schippern vorbei, ich mache mich schlau, was die Busverbindungen nach Ranong angeht, könnte online sogar buchen. Allerdings geht die Reise 16 km entfernt von mir los, das wird keinen Spaß machen. Da ich um 12 Uhr auschecken muss, müsste ich entweder mit Rucksack den Tag verbringen, oder aber recht früh nach draußen fahren. Beides nur im Notfall. Der trifft aber nicht ein, das findige Netz verweist mich an ein kleines Reisbüro in meiner Nähe, von wo die Busse auch abfahren, bevor sie am Southern Terminal halten. Das wäre es ja. Da mir jetzt alles an Hose zuviel ist, wickel ich mir meinen uralten Sarong um die Beine, der eigentlich als Strandtuch oder Bettlaken gedacht ist und marschiere los. Ich sehe zwar aus, wie der letzte weißhäutige Hippie, aber ich kann unbeschwert laufen, Zumindest halbwegs. Keine zwanzig Minuten später erreiche ich das Reisebüro, es ist in der Tat das gleiche, an dem ich ein paar Stunden zuvor schon gestanden habe. Die Air Condition läuft, ich komme mir vor, wie im Kühlhaus. Einen Tag mit AC und ich liege mit einer Erkältung flach. Aber für die kurze Zeit der Buchung ist es auszuhalten und es läuft perfekt. Der Bus fährt um sieben Uhr abends tatsächlich hier ab und ich kann nach dem Auschecken meinen Rucksack abgeben. Das macht es morgen um Längen angenehmer. Damit ist also das Ende meiner ersten Zeit in Bangkok gekommen, morgen Abend dann: Ranong.
Aber der heutige Abend brachte eine große Überraschung. Yves, mit dem wir beim Auswärtskick der Eintracht in Genua in der Stadt am Wasser auf einem Ponton ein paar Bierchen getrunken haben, hatte mich auf Grund meines Blogs angefunkt – und er ist zum gleichen Zeitpunkt wie ich in Bangkok. Klar treffen wir uns. Pünktlich um sechs laufe ich an die Ecke zur Thanon Samsen und trinke an dem kleinen Teewägelchen einen Thai-Tee und halte nach Yves Ausschau. Es dauert auch nicht lange und schon biegt ein Taxi um die Ecke. Gude, das gibt’s doch nicht. Yves war in Myanmar und fliegt morgen zurück nach Frankfurt, sein letzter Abend in Thailand, meiner vorerst in Bangkok. Wir beschwatzen unsere Erlebnisse und marschieren anschließend über die Brücke Rama VIII. Der Chao Phraya glänzt in die Nacht, bunt beleuchtete Ausflugsboote mit Musik tackern den Fluss hoch und runter, am anderen Ufer treffen sich die Thais am Wasser. Alleine, zu weit, in Grüppchen sitzen sie auf den Treppenstufen und futtern, was die nahe gelegenen Stände hergeben. Wir tun es ihnen gleich und ordern gegrillten Octopus, setzten uns auf die Stufen. Die erste Portion kommt, die zweite leider nicht. Wir bestellen erneut und sind in die Inflation geraten. Die Teilchen sind urplötzlich 20 Baht teurer geworden, wir nehmen es hin und futtern und schwatzen. Schiffe mäandern vorbei, und eine Spezialität scheint etwas in Töpfen zu sein, die auf kleinen Tonblumentöpfen, gefüllt mit glühender Kohle, vor sich brutscheln. Mehere Personen essen aus einer Schale, das werde ich machen, wenn ich demnächst mit Pia hier bin.
Wir verlassen das Ufer und wandern über die Brücke zurück. Mit jedem Moment, in dem du hier bist, erkennst du Dinge, die dir eben noch gar nicht aufgefallen sind. Angeleuchtete Tempel, ein kleiner Fußballplatz, ein neuer Weg.
Zur Feier des Tages planen wir eine Massage. Der erste Laden ist gefüllt, der zweite bittet uns dreißig Minuten zu warten. Abwarten und Tee trinken, das machen wir, unser Teestand ist nur fünf Meter entfernt. Etwas später werden Yves Füße für die Fußmassage gewaschen, während ich auf einer Liege liege und meinen Rücken und den Kopf massieren lasse, ich gleite ins Reich wohliges Wohlbefinden und bin eine Stunde später leicht benebelt. Glücklich sehen wir uns wieder.
Leider ist nach Mitternacht der Bierverkauf außerhalb von Kneipen untersagt, so begleite ich Yves noch ein paar Meter, bis er sich ein Taxi nimmt und in seine Unterkunft zurück rauscht. Ich werfe noch einen Blick auf den Fluss und falle todmüde in meine Koje. Über Nacht laden meine Akkus, die elektrischen und die physischen dazu. Leider habe ich wieder nur unzureichendes Netz, mit Pia zu skypen fällt wieder flach. Aber ich denke an sie und das Rauschen der Nacht wiegt mich in den Schlaf.
„Manchmal schickt dich dieses große Etwas genau dahin, wo du hin willst, ohne dass du es weißt. Wenn man es erkennt, hat man Glück.“
Das glaube ich auch, Beve, das glaube ich auch.
Ein schöner Satz, den schreibe ich mir auf!