Fußball. Hochbezahlte Profis im Rampenlicht, umgeben von schönen Frauen und rauschenden Festen. Titel, Tränen, Triumphe. Das ist das eine. Das Andere beleuchtet die Veranstaltungsreihe „Die Macht des Sports“ im Museum der Frankfurter Eintracht. Denn Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Bundesligafußball gibt es einige; Verletzungen, Medikamenten- und Alkoholmissbrauch, Spielsucht, Einsamkeit bis hin zur Depression und etliches mehr.
Nach Uli Borowka war nun Thorsten Legat zu Gast im Eintracht Museum, der Mann, der in 15 Jahren 243 Bundesligaspiele für den VfL Bochum, Werder Bremen, die Eintracht, den VfB Stuttgart und Schalke 04 absolviert hat. Über sein bewegtes Leben hat er dieser Tage gemeinsam mit Autor Hubert Meyer ein Buch veröffentlicht: Wenn das Leben foul spielt. Und genau darüber haben sich Hubert Meyer und Thorsten Legat im Gespräch mit Jan Christian Müller von der FR unterhalten.
Wer die letzten Aufnahmen von Legat gesehen hat, der erwartete vielleicht den Auftritt einer Dampframme, doch ganz anders kam er daher, leise, zurückhaltend und keineswegs so forsch und selbstbewusst wie vielleicht Uli Borowka vor einigen Wochen. Thorsten der Kämpfer, aufgewachsen in einer großen Familie, ist das jüngste von vier Kindern. Der Vater Bergmann, die Mutter Raumpflegerin, so begann der Überlebenskampf schon früh. Geld war knapp im Hause Legat, Betten wurden geteilt und die Kleidung kam nicht zuletzt zum Teil aus der Altkleidersammlung, Hänseleien in der Schule waren die Folge.
Am Bedrückensten das Geständnis, dass Thorsten als Kind von seinem Vater missbraucht wurde, noch heute fällt es ihm schwer darüber zu sprechen, aber er tat es, auch weil Jan Christian Müller, der Legat noch aus Bremer Zeiten kennt, sich nicht scheute, schwere Themen anzusprechen, dabei aber weder sensationsheischend noch anbiedernd moderierte. Bis zur Veröffentlichung des Buches war Legats Lebensgeschichte in der Öffentlichkeit nicht bekannt, auch Autor Meyer hat erst im Zusammenhang mit der Recherche davon erfahren, obgleich er lange für den Kicker journalistisch gearbeitet hatte. Dass etwas mit Legat nicht stimmte, war seinerzeit in Kollegenkreisen ein offenes Geheimnis, genauere Ursachen wurden nicht gesucht.
Mit sechzehn hat Legat seinen Vater verprügelt, danach hatte die Familie Ruhe. Dennoch ist von ihm ein großer Ballast abgefallen, als der Vater vor zehn Jahren verstarb. Kämpfen, am Boden liegen, aufstehen – dieses Motto durchzog Legats Leben wie auch den Abend und dies ist vielleicht auf Thorstens Mutter zurück zu führen, die ihren Sohn mahnte, niemals aufzugeben. Gründe dafür hätte es einige gegeben. Verletzungen, Suff, Enttäuschungen.
Nach einem Achillessehnenriss fiel er lange aus, versuchte mit allen Mitteln wieder fit zu werden, auch mit Medikamenten, obgleich die Ärzte nicht immer wussten was sie taten. So schilderte Hubert Meyer den Fall des einstigen Profis Karsten „Air“ Bäron, der sich etliche Male am Knie operieren lassen musste. Zuletzt wurde dieser mit radiokativen Substanzen behandelt, um Gelenkflüssigkeit aus dem Knie zu entfernen, die aber vom Körper zum Schutz vor Reibung produziert wird. Es war das Ende der Karriere Bärons. Meyer sprach auch über den einstigen Uerdinger Profi Horst Feilzer, auch dieser wurde medikamentös behandelt. Tragisch: Als Meyer Horst Feilzer Jahre nach der Karriere zu einem Interview traf, fiel auf, dass dieser nicht nur Schwierigkeiten beim Gehen hatte, sondern beim Versuch des Fotoshootings nicht lachen konnte. Kurz darauf die Meldung: Schlaganfall. Und mit den Worten Meyers gesprochen, so ist die unmittelbare Unfähigkeit, nicht lachen zu können, ein Warnsignal für einen kommenden Schlaganfall: Also Obacht und Augen auf! Legat betonte, dass man seinen Körper nicht überlisten kann, dieser nimmt sich seine Zeit der Heilung.
Zu den größten Enttäuschungen Legats gehört Otto Rehhagel, sein Trainer aus Bremer Zeiten. Vor der WM 1994 wollte Bundestrainer Berti Vogts Legat mit zur WM nehmen und ihn zuvor beim Spiel gegen Köln noch einmal beobachten. Rehhagel wusste dies und versuchte gemeinsam mit Frau Beate, Thorsten Legat zu überreden, seinen Vertrag bei Werder zu verlängern. Wobei sie eigentlich eher mit Legats damaliger Gattin sprachen. Legat verlängerte zunächst nicht, was zur Folge hatte, dass Rehhagel ihn im kommendem Spiel, zu dem Vogts extra angereist war, völlig überraschend nicht einsetzte. Zur WM fuhr dann Martin Wagner vom 1. FC Kaiserslautern. Legat wechselte zur Eintracht – eine Station die er am liebsten streichen würde. Die Eintracht und Thorsten Legat – ein großes Missverständnis.
Der Mann, der defensiv wie offensiv die linke Seite beackerte, sollte in Frankfurt den überaus beliebten und technisch beschlagenen Uwe Bein ersetzen. Ein Unterfangen, das nicht gelingen konnte – das wusste auch der Spieler selbst. Zu allem Überfluss bekam er auch noch das Trikot mit der Nummer zehn, das Uwe Bein vorher getragen hatte. Bei seinem Amtsantritt wurde ihm übrigens ein Koffer in die Hand gedrückt. Als Legat ihn öffnete, fielen ihm Geldscheine entgegen. Schwankend zwischen Irritation und Freude zeigte er den Koffer seiner Mutter. Erste Reaktion: Hast du eine Bank überfallen? Nein, das ist dafür, dass ich ab jetzt für Frankfurt spiele. Zweite Reaktion der Mutter: Bei diesem Verein will ich auch arbeiten.
Nun, bei näherem Hinsehen dann vielleicht doch nicht. Denn Legat, der keinen Berater hatte, schilderte die Frankfurter Führung um Ohms und Hölzenbein als kalt und wenig herzlich. Die Mannschaft war in Grüppchen zerfallen und das sportliche Potential wurde nie ausgeschöpft, obgleich der Kader auch ohne Bein bei entsprechendem Zusammenhalt durchaus hätte um die Meisterschaft mitspielen können – ein Bild, dass sich konsequent durch die Eintracht der frühen Neunziger Jahre zieht, egal ob die Trainer Berger, Stepanovic, Toppmöller oder zuletzt Heynckes hießen. Große Stücke hält Legat von Jay Jay Okocha, der eine 10 Pfenning Münze tausend Mal hochhalten konnte, vielleicht der beste Fußballer, mit dem er je zu tun hatte.
Legat bestätigte auch die Legende, dass er von Frankfurter Fans nach dem Spiel bei Juventus von Fans gestellt wurde, nicht mit diesen reden wollte und daraufhin ein metallenes Etwas am Kopf verspürte. Eine Pistole. Es war das Ende seiner Zeit in Frankfurt. Zwar folgten noch vier Einsätze, anschließend folgte der Wechsel zum VfB. Dort wurde er vier Jahre später von Neutrainer Rangnick aus dem Kader geworfen und nicht mehr berücksichtigt, noch nicht einmal die Kabine sollte er betreten. Bei seiner letzten Station, Schalke, kam er nicht wirklich auf die Beine, eine alte Verletzung beendete schließlich seine Karriere. Frustiert wuchtete er sich in einer Muckibude dreißig Kilo Muskelmasse auf, betonte aber, keine Präparate genommen zu haben. Sein Kollege, der dies anders sah, sei bald darauf verstorben.
Kurz ging er noch auf den spektakulären Auftritt beim Promiboxen ein, die Bilder des Einzugs der Gladiatoren gingen ja durch die Medien. Legat betonte, dass er sich nicht mit Mitteln aufgeputscht habe. Die dreimonatige Vorbereitung, darunter etliche Sparringskämpfe, hätten ihn in Form gebracht, sein Gegner Trooper Da Don im Vorfeld mehrfach getönt, dass Legat die erste Runde nicht überstehen werde – so schoss ihm vor dem Kampf das Adrenalin in die Adern, und so gewann er letztlich auch diesen Kampf: KO-schlagen durfte ich ihn ja nicht. Das soll es aber auch gewesen sein mit dem Boxen erklärte er auf Nachfrage.
Wichtig ist für Legat heute die Familie, Gewalt lehnt er strikt ab und zu guter Letzt benannte er auch die Summe, welche ihm von der Eintracht im Koffer überreicht wurde: Es waren 40.000 DM.
Wir waren ja schon immer hochseriös. Und Legats Buch ist ab sofort im Museum erhältlich.
Siehe da, ein sarkastischer Beve…..
Aber die „Geschichten“ über insbesondere Holz häufen sich.
Nicht alles was im Museum erzählt wird, ist unbedingt förderlich für die Reputation meiner Leidenschaft.
Spannender Bericht Beve, bringt den Legat in ein ganz anderes Licht. Auch wieder eine Bestätigung warum ich den Rehagel noch mochte!
Nimm es nicht so schwer, wib. Jeder erzählt Geschichten. So wie er sie erlebt hat. Oder so, wie sie in Erinnerung bleiben sollen. Aus welchen Gründen auch immer. Interessant allemal, aber eben immer nur eine Sicht von vielen (möglichen).
Das, so scheint es mir, verhält sich auch mit der Geschichte so, die gerade in der Gegenwart geschrieben wird. Später werden wir dann erzählt bekommen, wie es wirklich war. In den Augen und aus den Blickwinkel derer, die heute beteiligt sind. Und auch diese Geschichte wird dann – natürlich – unterschiedlich erzählt werden. :-)
Toll, Beve, dass du dir immer wieder die Arbeit machst, über die Abende im Museum zu berichten. Die Daheim- oder sonst-wo-Gebliebenen wie ich danken es dir. Immer und immer wieder.
Immer gerne :-)
Für mich war es auch überraschend wie „leise“ Legat rüberkam. Schon bei seinen Schílderungen über das Karriereende hatte er feuchte Augen. Bei seinen Äußerungen über seinen Vater hatte er gesagt daß ihm das schwer fiele.
Übrigens war Legat abends zuvor als Trainer bei Wülfrath entlassen worden, ein Thema war es nicht. Ich denke daß hatte ihm sehr zugesetzt. Um so besser daß er diesen Termin und auch den Besuch beim HR nachmittags ( habe ich leider nicht sehen können) wahrgenommen hat.
Was ich mich aber frage, was macht so ein Typ wie Legat tagsüber in den nächsten 20 Jahren. Fußball ist nicht mehr außer mal in der VfL-Traditionsmannschaft, Boxen soll eine Eintagsfliege sein, in die Muckibude geht er nur noch ab und an zur Fitness. Na und dann?
Nichts desto trotz ein interessanter Abend.
Gute Frage Thommy. Vielleicht trainiert er demnächst einen anderen Verein. Boxen fällt flach und noch ein Buch wird er wohl nicht schreiben. Obwohl, wer weiß …