Da hat sich gestern ein ordentlicher Haufen nostalgischer Eintrachtfans im Museum der Eintracht eingefunden, um einer Buchvorstellung beizuwohnen, die es in sich hatte. Es ging nicht um Kicker oder Offizielle, vielmehr haben Til Adam, Christian Hahn und Harald Pridgar sich intensiv um Kutten und vor allem Aufnäher gekümmert; Aufnäher, die in den Siebziger und Achtziger Jahren in Stadien gang und gäbe waren und heute nahezu ausgestorben sind.
Und etliche dieser Aufnäher wurden nun Gegenstand des Buches „Näht auf, wenn ihr Adler seid“, eine (unvollständige) Sammlung von Aufnähern zur Frankfurter Eintracht. Neben Christian Hahn hatten sich durchaus einige Koryphäen eingefunden, die profund über die Zeiten berichten konnten, in denen Fußball noch keine Familienangelegenheit war, sondern viel eher Treffpunkt der vorwiegend männlichen Jugend – und eine Kutte gehörte damals für die Harten dazu.
Thommy Kummetat, der heute noch regelmäßig zur Eintracht geht, hatte maßgeblich zur Sammlung beigetragen. Damals wie heute beim EFC Bockenheim, hatte er seinerzeit einen kleinen Versandhandel, über den er die guten Aufnäher bundesweit vertrieb. Einige davon hatte er sogar selbst produzieren lassen. Allerdings kam bei ihm kein Aufnäher auf die Kutte, viel eher auf’s Trikot – heute ein Ding der Unmöglichkeit. Matze Thoma, selbst kleiner Kuttenträger und großer Sammler berichtete, dass er stets bei Thommy gekauft habe – auch wenn die seltenen Aufnäher, die in kopierten Din A4 Seiten kataloghaft mit Sternchen versehen waren, doch recht teuer waren.
Hoch interessant ein weiterer Gast, einer der sogar mal für als auch gegen die Eintracht gespielt hat und noch heute das Tor von Hessen Kassel in der dritten Liga hütet. Carsten Nulle. Carsten, schon seit Kindesbeinen großer Eintrachtfan, entwickelte sich auch zum großen Sammler – bis heute. Auch er hatte in den Achtzigern stets bei Thommy bestellt, kennen gelernt hatten sich die beiden allerdings erst bei der Veranstaltung im Museum, obgleich sich Thommy noch gut an die Bestellungen Carstens erinnern konnte: „Er schrieb stets mit grünem Füller.“ Natürlich hatte Carsten auch eine Anekdote zum Fußball parat. Als er vor ein paar Jahren im Trikot von Carl Zeiss Jena spielte, traf er auf die Offenbacher Kickers. Jahre zuvor hatte er kurz vor einem Engagement bei OFC gestanden, wurde aber Fanseitig abgelehnt, Kickers-Anhänger spuckten gar vor Carstens Mutter auf den Boden, Carsten ging nach Freiburg. Nun also Jena gegen Offenbach. Da Carsten siegessicher war, trug er unter seinem Torhütertrikot ein Shirt der Eintracht – und als Jena die Kickers schlagen konnte, entblößte er sein Eintracht-Shirt – und küsste vor der Offenbacher Kurve den Adler. Heute ist er im Besitz eines Aufnähers, um den ihn sogar Thommy beneidet: Eintracht Fanclub West Bromwich.
Überhaupt waren die Fanclubs die treibende Kraft bei den Aufnähern. Während heute die Anzahl der EFCs riesig ist und die Anzahl der Aufnäher überschaubar, war dies einst umgekehrt. Bockenheim, die Treuen, Nied, City – sie alle hatten Aufnäher produziert, meist in kleiner Auflage, die unter Sammlern bis heute hochbegehrt sind.
Andreas Maier, Schriftsteller und Eintrachtfan hatte über die Kuttenträger eher trauriges zu berichten. Stand er doch einst im Eintrachtblock als die Mannschaft Bälle ins Publikum schoss – und er hatte das Glück, einen Ball von Pezzey zu fangen. „Für eine Sekunde war ich der glücklichste Mensch der Welt“. Dann nahm ihm ein Kuttenträger wortlos das gute Stück ab und verbrachte die nächsten 90 Minuten neben dem nunmehr unglücklichen Andreas. So waren sie, die Kuttenträger, schienen immer ein bisschen rauer als die anderen – und mussten dennoch arg aufpassen, dass ihnen das edle Stück nicht von Fans anderer Mannschaften geklaut wurde – die Jacken, Jeans mit abgeschnittenen Ärmeln, hatten nicht nur einen ideellen Wert sondern auch einen materiellen – und wer es geschafft hatte, die Kutte eines Zwei-Zentner-Mannes zu erbeuten, war natürlich der King unter seinen Kumpels. Harte Zeiten.
Heute sind die Kutten bis auf vereinzelte Exemplare ausgestorben, die Vereine haben das Merchandise übernommen und manch einer hat das, was früher auf der Jacke prangte nun auf die Haut tätowiert, die wird einem wenigstens nicht geklaut.
Das Büchlein, manuell in Jeans eingebunden und mit einem Aufnäher versehen, bildet jede Menge Aufnäher vergangener Tage ab. Die Macher haben dabei auf diejenigen verzichtet, die mit unlauteren Symbolen spielen – ja die gab es auch. Dazu schrieben Heribert Bruchagen, Henni Nachtsheim und Matze Thoma hochinteressante Vorworte, in denen Jacobskaffee (Bruchhagen) oder Eierlikör (Henni) eine Rolle spielen. Und es gibt sogar Interviews. Mit Thommy und Carsten aber auch mit Axel Gonther, Griesheimer und bis heute einer der größten Eintrachtfans, Thomas Zampach oder Andreas Maier. Auch wenn eine soziologische Aufarbeitung ein bisschen fehlt, so ist das Werk doch eine feine Sammlung und dazu der Anlass, sich gepflegt auf eine Zeitreise zu begeben, als Fußball noch Regennässe und matschige Schuhe, Opel Kadett und Vokuhila bedeutete.
Und weil ja bald Weihnachten ist, könnt ihr hier sogar ein Buch gewinnen. Dazu gibt es eine Schätzfrage: Wieviele Aufnäher sind denn im Werk genau abgebildet? Schreibt eure Vermutungen ruhig in die Kommentare, wer der korrekten Zahl am nächsten kommt, der gewinnt ein Exemplar „Näht auf, wenn ihr Adler seid.“ Im Zweifel, bei identischen Lösungen, lose ich heimlich aus. Sagen wir bis Montag um 12:00 läuft das Ding. Und falls jemand zufällig den „West Bromwich- Aufnäher“ hat, sagt Bescheid, Thommy fehlt dieser noch.
„…die profund über die Zeiten berichten konnten, in denen Fußball noch keine Familienangelegenheit war, sondern viel eher Treffpunkt der vorwiegend männlichen Jugend“
ich möchte hier aber nicht unerwähnt lassen, dass zu dieser zeit die familie trotzdem eingebunden war.
denn – wer hat die aufnäher aufgenäht?
freundin, frau, mutter, oma!
Gut aufgepasst. So war es in der tat :-)
Der Siegertipp lautet 104 und wer das auch tippt, ist scheiße.
unfassbar, du liegst bis jetzt tatsächlich vorne :-)
Danke für den netten Bericht, sagt Simone, die damals nur 2 Aufnäher auf dem (ausgestellten Jeans-)Hosenbein hatte.
Ich tippe auf 959 (1959 ist dann doch arg viel
immer wenn ich „1959“ höre, werde ich melancholisch :-)
Aaaaaah, ich krieg die Krise. Andreas Maier war im Museum?? Den hätte ich so gerne kennen gelernt. Ich liebe seine Heimatromane aus der Wetterau – und die Geschichte mit dem Pezzey-Ball, den sich ein großer kräftiger Kuttenträger krallt, passt da gut hinein **grummel** verpasst, leider.(War das irgendwo angekündigt. Mist, jedenfalls.)
Tipp? Schwierig… das werden schon ziemlich viele sein. 104, das ist doch zu wenig, oder…mmh…. also, mein Tipp:
305
lgk
Es sind 175 Seiten, Vorwort und Einleitung, noch ein paar Kuttenbilder, werden so ca. 123 Aufnäher sein.
mein Tipp: 234
193
Sauber Alibamboo, 104 war verdammt gut, richtig wäre 107. Oder auch 108.
Siehe auch hier:
http://www.beveswelt.de/?p=6555
Glückwunsch :-)
So, den Gewinn endlich abgeholt und auch schon drin geblättert. Schönes Buch!
Danke, Beve.
Bitte :-)