Gewinnt der Club sind die Nürnberger Tabellenführer, punktet die Eintracht, dann steht die Eintracht an der Spitze. Eine Konstellation, die noch vor wenigen Wochen eigentlich undenkbar war, damals, als wir von Stefan die Karten übernommen hatten. Also, auf gehts, nach Nürnberg.
Eigentlich war ich schon nach dem Aufstehen schlagkaputt, am Tag zuvor hatte ich eine Baumwurzel aus dem Garten entfernt und dazu alles gebraucht, was an Geräten so rumstand, Axt, Pickel, Spaten, Säge, Schippe und meine Hände, das Drecksding war zäh wie weiland Werner Lorant und als die Wurzel endlich draußen war, konnte man mich eintüten. Kurz, alles schmerzte und so erbarmte sich Pia und fuhr. Auch der Golf (silber) erbarmte sich und sprang brav an und so rollten wir am Vormittag auf die Autobahn, begleitet von Carter USM und der Gewissheit, mit Anpfiff des Spiels auf jeden Fall Spitzenreiter zu sein. Das 0:0 zu Beginn brachte den nötigen Punkt, alles andere würde sich weisen.
Sonnig der Tag, noch hielt sich der Verkehr in Grenzen und dennoch verließen wir hinter Würzburg die A3, um gemächlich auf der Landstraße gen Nürnberg zu rollen. Und wie das so ist, fährt stets ein LKW vor dir, aber was solls, wir hatten ja Zeit. Kitzingen, Neustadt an der Aisch – wir tuckerten durch Franken, entdeckten eine Gaststätte Roter Adler, während ich wieder einmal vergeblich versuchte, mit meinem Handy offline zu navigieren. Das Nokia hat zwar schon ein paar Tage auf dem Buckel, aber es sollte es eigentlich können – Pustekuchen, es findet ums Verrecken keinen GPS-Satelitten – falls ihr einen Einstellungstipp habt, als her damit. Da Pia jedoch hochmodern ausgerüstet ist, fanden wir die Oskar von Miller Straße am Dutzendteich jedoch in Nullkommanix, parkten den Golf wie geplant ein paar Hundert Meter vom Stadion entfernt und marschierten gut gelaunt Richtung Altstadt. Beinahe hätten wir einen Grillkohlevoranzünder für drei Euro erworben, aber wer will schon so ein Teil den ganzen Tag durch die Stadt schleppen.
Wir marschierten durch den Bahnhof und die Stadtmauer, schlenderten durch den kleinen Handwerkermarkt und hielten die Äuglein nach einer Restauration offen, die unseren Ansprüchen entgegenkam. So ließen wir uns durch die Stadt treiben, die auch von Touristen ordentlich besucht war, erblickten nur wenige Eintrachtler und eine Wirtschaft, die jedoch noch geschlossen hatte. So hockten wir uns in ein Café an der Pegnitz mit Blick aufs alte Henkerhaus, tranken ein Dunkles und betrachteten im Sonnenlicht die Gruppen, die von ortskundigen Stadtführern durch die mittelalterlichen Bauwerke geführt wurden.
Als die Zeit gekommen war, marschierten wir zurück in die Wirtschaft und wurden nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Die Käsespätzle als auch das Schaschlik waren besser als erwartet, um genau zu sein, es war hervorragend. Die freundliche Bedienung tat ihr übriges und so rate ich euch, so ihr mal in Nürnberg seid, schaut euch das Karlsbrückla an, ihr werdet es nicht bereuen.
Derart gestärkt gings zurück zum Golf. Im Bahnhof tummelten sich jede Menge Fußballfans, ein paar Polizisten hielt die Meute in Schach, der einzige Wermutstropfen bestand darin, dass der Laden mit dem Grillkohlevorglüher für drei Euro schon geschlossen hatte, hinter dem Schaufenster lag es, das gute Stück und zwischen ihm und uns die Glasscheibe. Na, dann muss es auch ohne gehen.
Langsam schob sich die Dunkelheit in den Tag, wir packten unsere Siebensachen für das Spiel und wanderten durch den Park in Richtung Stadion. Am Messeparkplatz schoben sich die Autos auf die Stellflächen, eingewiesen von heimischen Ordnern, derweil wir auf den ehemaligen Eintrachtler Wolfgang Solz trafen, der sich telefonierend seinen Weg Richtung Gästeeingang bahnte. Von Zeit zu Zeit wummste ein Böller und mit den Schritten erreichten wir und viele andere den Einlass für die Frankfurter. Der Weg war von schwerem Polizeigerät beleuchtet, Buden und Schalverkäufer harrten der Kundschaft und ich erstand für fünf Euro einen der Schals, die von den Ultras zwecks Schalchoreo verkauft wurden.
Der Einlass selbst war recht katastrophal, von allen Seiten schoben sich die Fans in Richtung der Absperrgitter, wer es geschafft hatte, musste sich dann noch einmal zwecks Kontrolle anstellen – doch wider Erwarten funktionierte alles schneller als gedacht, wobei es schon ein rechtes Gedrücke war.
Der Block war schon gut gefüllt, als wir eintrudelten, wir fanden aber noch ein Plätzlein und harrten der Dinge, die nun kommen sollten. Die Eintrachtfans reckten ihre Schals in die Höhe, Rauch und Bengalos entflammten noch vor dem Einmarsch, das Stadion war fast ausverkauft und nun marschierten sie ein, die Helden, welche mit Anpfiff ganz oben in der ersten Bundesliga thronten, die Eintracht ganz in weiß und auf Seiten des Clubs Timmy Chandler, der lange Jahre für die Eintracht gekickt hatte und aus der zweiten Mannschaft der SGE nach Nürnberg gewechselt war, um dort überraschend zum gestandenen Bundesligaspieler zu reifen.
Das Spiel wogte hin und her, zu Beginn durchaus mit leichten Vorteilen für den Club; Kevin Trapp hielt die Eintracht im Spiel, das Pirmin Schwegler und auch Olivier Occean noch Mitte der ersten Halbzeit verletzungsbedingt verlassen mussten; für sie kamen Lanig und Hoffer – und jener Hoffer war es dann auch, der die SGE in Führung brachte. Der Block rastete aus, die Eintracht war tatsächlich auf dem Weg zu einem historischem Startrekord, vier Siege zum Auftakt, das gab es für die SGE noch nie und auch noch nie für einen Aufsteiger. In der Folge entwickelte sich ein beherztes Bundesligaspiel mit flotten Aktionen auf beiden Seiten, ich jedoch musste den vergangenen Tagen Tribut zollen und wurde recht müde. Halbzeit.
Nach Wiederanpfiff übernahm erneut der Club das Kommando und in die Drangphase erwischte Inui am Sechzehner die Kugel, tanzte zwei Clubberer aus und schoss den Ball an Schäfer vorbei zum 2:0 ins Netz. Exstase – bei fast allen, ich jedoch schob meinen Arm in die Höhe und auch das kostete mich schon einiges an Kraft. Deutscher Meister wird nur die SGE tönte es und Europacup I’m missing you. Der Oberrang wackelte bedenklich, das Spiel wogte hin und her, wütenden Angriffen der Nürnberger setzte die Eintracht flotte Konter entgegen, Rode wühlte im Mittelfeld, Meier sprintete hoch und runter – und als der für Chandler eingewechselte Polter den Anschlusstreffer erzielte, wurde es noch einmal eng. Doch da weder der Club noch die Eintracht trotz bester Chancen kein Tor mehr erzielen sollte, blieb es beim knappen aber nicht unverdienten 2:1 für die SGE und der Lohn war die Tabellenführung, die nur bei einem Sieg der Bayern auf Schalke am Samstag eingebüsst wird. Deutscher Meister wird nur die SGE.
Wir blieben noch ein Weilchen, feierten die Mannschaft, die mittlerweile gleichfalls die neuen Schals um den Hals hängen hatte und verließen das Stadion müde aber glücklich. Unterwegs ballerte dicht neben uns ein Böller in die Nacht, Messeparkplatz, Park, Golf. Pia erbarmte sich ein weiteres Mal und fuhr, derweil ich wie ein Päckchen Immi im Beifahrersitz hing und kaum die Augen offen halten konnte. Wir kämpften uns auf die Autobahn vor und schon fielen die ersten Tropfen. Die Scheibenwischer schlappten über die Scheibe, die Sicht war denkbar ungünstig, das Nachtlicht, der Regen und während Placebo, The National oder Depeche Mode leise musizierten, schob sich der Golf Kilometer um Kilometer voran. Herzogenaurach, Kitzingen, Würzburg, Aschaffenburg – ich zählte die Kilometer, Pia konzentrierte sich aufs Fahren, Seligenstadt, Offenbacher Kreuz, Abfahrt Frankfurt Ost, Bornheim, Saalburgallee, Rohrbachstraße – Heimat. Natürlich mussten wir noch einen Parkplatz suchen – aber ein Ende war in Sicht. Die letzten Meter schleppten wir uns beinahe auf allen Vieren, aber kaum war die Tür ins Schloss gefallen, hing ich schon in Schlafklamotten auf dem Sofa und mit den Worten Europacup – I’m missing you fiel ich ins Reich der Träume. Als ich aufwachte, war die Eintracht noch immer Spitzenreiter. Wochenende. Garten.
Tip des Tages:
Bevor man sich was mit Buchstaben stechen lesst liber vorher mal den Tattovierer zum Digtad bitten!
Ach, ich beneide Euch alle, die Ihr gestern dabei sein konntet… *seufz*
Sehr schön ist das Bild vom Schaufenster des Perückenladens am Bahnhof. Das habe ich auch fotografiert, als ich im Sommer in Nürnberg war :)
Ich wünsche Euch ein schönes und vor allem erholsames Wochenende!
jo, die buchstaben zu überprüfen macht sinn :-)
das perückenschaufenster ist jedesmal ein highlight – wie auch die spielzeugeisenbahn.
es grüßt: ein entspannter beve
Baumwurzel entfernen geht am einfachsten mit glühender Kohle, die beim Grillen übrig geblieben ist. Einfach auf dem Stumpf geben und warten.
EINTRACHT !
lieber „tattoomässe“ als „über alles“.
Vielen Dank für den schönen Reise- und Spielbericht. So späte Spiele am Freitagabend sind wirklich nicht sehr Fan-Freundlich, besonderst wenn es über die A3 Richtung Süden geht – die ist eigentlich immr voll.
Es ist wirklich kaum zu Glauben, was im Moment mit der Eintracht los ist.
Man reibt sich die Augen und fragt sich ob d a s wirklich wahr ist. Sogar bei der Tagesschau, wird beim verlesen der Tabelle extra darauf hingewiesen, dass es so einen Start eines Aufsteigers noch nie gab!!!
Ich genieße…
Gruß Beate
Danke für den tollen Bericht – ich war natürlich nervös am Live-Ticker. Gute Erholung für dich – Gartenarbeit is a man´s hard work ;-)
und ich hatte wieder die orangenen chucks an. winner chucks.
am dienstag dann wieder …
winner chucks. es kann nur eine geben :-)
danke für den tipp mit der holzkohle, ich werde es bei gelegenheit probieren. schade, jetzt haben die bayern gewonnen und die eintracht ist nur zweiter – aber auch dies ist unglaublich.
mit eintracht über alles kann ich leben, schusch hats im blog g erklärt, besser könnte ich es auch nicht.
garten :-)
Falls diese Serie wider Erwaten jemals endet, sollten die Chucks ins Museum. ;)
Danke Beve! Du schaffst es sogar, Nürnberg liebenswerte Seiten abzugewinnen… ;-)
Das Märchen geht weiter & der Traum stirbt zuletzt. Danke, Beve! Und Pia: An die Füße kommt Dir nicht anderes mehr als die Gewinner-Chucks. Ist klar oder?
Viele Gruesse & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
daniel, niemals wird die serie enden :-)
uli, mir gefällt nürnberg und vor allem franken recht gut, zumindest soweit ich das überblicken kann – erstaunlich, gell? nur die sprache ist gewöhnungsbedürftig.
der traum stirbt zuletzt. fritsch, möge die weisheit deiner worte wirklichkeit werden.
viele grüße
beve