Nochmal kurz zur Euro. Auffällig in der Berichterstattung war durchaus, dass sich die UEFA alle Mühe gegeben hat, missliebige Bilder nicht zu zeigen und zudem emotionale Bilder, die zuvor gedreht wurden in die Übertragung hinein zu montieren, um eine perfekte Illusion zu produzieren.
Manchmal schlug das Schicksal dem Procedere ein Schnippchen – wenn zum Beispiel Rauchschwaden von den Rängen her über das Spielfeld waberten und sich ins Bild mogelten. Ähnlich der WM 2006 legen die Inszenatoren des Weltfußballs großen Wert darauf, dass vermeintlich Negatives ausgeblendet wird – die Fußballwelt scheint ein einzig heiteres Völkchen, welches buntbemützt aufgeregt in die Kamera winkt, unbefleckte Markenästhetik. Alles widerstrebende wird skandalisiert, kriminalisiert und meist unverhältnismäßig bestraft.
Auch in der Bundesliga ist die mediale Inszenierung via TV bemüht, z. Bsp. brennende Kurven nicht allzulange im Bild fest zu halten. In Printmedien jedoch werden besondere Vorkommnisse stets bemüht, um eine Form der Gewalt zu benennen resp. zu bebildern, die dem geneigten Leser ein Bild suggeriert, dass Fußballspiele Orte des Exzesses sind, eine Gefahr für Leib und Leben, ein Unort für Familien; kurz; vermeintliche Skandale machen Auflage. Immer wieder sehen wir die Bilder Vermummter mit brennenden Fackeln in der Hand, sehen wir vermeintlich hochbrutale Platzstürme – und das Banner der Randalemeister 2011 wird uns noch Jahrzehnte als Beleg dienen müssen, wie schlimm in diesem Falle die Frankfurter sind. Fußball und die Medien also.
Dazu fand ich folgenden Text:
Die Medien, Zeitungen wie Fernsehen, berichten aber nur von den Exzessen. Selten, aber gelegentlich, fühlen sich Journalisten bemüßigt, die Fanszene etwas tiefer zu recherchieren und dann auch die „guten Seiten“ der Fans darzustellen, also ihren Stammtischcharakter und die Vereinsmeierei von Fanclubs. Normalerweise interessieren aber die anderen Extreme: Gewalt, Sachschäden für Hunderttausende, Verletzte und Tote. Das interessiert das Publikum. Das ist es, zugegeben, was auch die beteiligten Fußballrabauken selber am liebsten lesen. Auch wenn sie sich dann über Verfälschungen und Übertreibungen aufregen – das Blatt wird gekauft!
Die Nachrichtenhändler leben alle vom Negativen. Von den Zeitungen eine „korrekte“ Berichterstattung zu verlangen, nicht nur die Randale zu erwähnen, sondern die Fans zu schildern, „wie sie wirklich sind“ ist dummes Zeug. Das geht an der Wirklichkeit des Journalismus vorbei. Ebenso, allerdings, geht das durch die Nachrichten vermittelte Bild an der Wirklichkeit vorbei. Dabei liegt die „Schuld“, wenn es denn sinnvoll ist, in sochen Begriffen zu reden, nicht einfach an der Bosheit oder Dummheit der Journalisten. Sie präsentieren schließlich das, was das Publikum will. Beide unterscheiden sich wenig, und dem Journalismus eine volkserzieherische Aufgabe anhängen zu wollen, wäre eine altjüngferliche Aufklärer-Moral.
Ein Text, wie er heute durchaus zu lesen sein könnte. Er ist aber nicht von heute – und von daher die Quizfrage: Aus welchem Jahr stammt der obige zitierte Text? Der Gewinner/die Gewinnerin, die als erste das Jahr postet, in dem er erschienen ist, bekommt eine Eintrittskarte für das schöne Eintrachtmuseum,
Ich denke schon, dass brennende Kurven auch im TV „gerne“ gezeigt werden – weil es auch da ja darum geht, zu verdeutlichen, dass es „so“ nicht weitergehen kann, dass schärfere Sicherheitsmaßnahmen geben muss, dass „die Chaoten in den Stadien nichts zu suchen haben“, dass die Unverbesserlichen… dass Angst und Schrecken herrscht… etc. etc. Es kommt halt immer darauf an, welche Botschaft da gerade vermittelt werden soll. Hier das „heitere Fußballvölkchen“, dort der „böse Hooligan“ (der dem heiteren Fußballvölkchen in die Suppe spuckt).
Bei der Fußball-WM in Südafrika hatte sich bei uns – zunächst einfach nur als Rumgeblödele – der Verdacht erhärtet, dass die im Bild gezeigten Fans vorher gecastet worden sind, dann im Studio in Szene gesetzt und an passender Stelle in die Live-Übertragung hineingeschnitten wurden – da war immer die gleiche Stadion-Totale mit undefinierbaren bunten Punkten (wie bei FIFA oder Fußballmanager) und zwischendurch wurde die (jawohl, jawohl) immergleiche Fangruppe eingeblendet – zwei Frauen, vier Männer, einer dick, einer dünn, zwei ältere – die wurden dann täglich spieladäquat umgestylt und landestypisch und farbgerecht als Fangruppe verkleidet: je nach beteiligten Mannschaften mit Sombreros, Holländermützjen, Hörnern, bunten Umhängen, Kutten etc. – links oder rechts außen stand immer derjenige, der eine Vuvuzuela, ebenfalls in den Nationalfarben, in der Hand hielt. Damals hielten wir das für einen Witz (von wegen Bildstörung – angesichts der Regie-Montagen bei der zurückliegenden EM halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass es tatsächlich so war… *g
Deine Frage kann ich leider trotzdem nicht beantworten und hoffe nachfolgend auf Erhellung.
Herzlich, K.
Seh grad, dass mein so wunderbar eingebundener Link zur „Bildstörung“ nicht funktioniert. Deswegen nochmal (weniger wunderbar eingebunden, dafür klappend ,-))
http://rotundschwarz-kd.blogspot.de/2010/06/rotundschwarze-wm-randgange-bildstorung.html
du hast bei deinem ersten link am ende anführungszeichen, die sind zuviel – ansonsten klappt der link. so falsch ist dein gedanke der bildstörung gar nicht, leider.
und stimmt: mittlerweile ist der begriff der gewalt im zusammenhang mit pyro gehirngewaschen eingefräst in das vokabular derer, die geld fürs sprechen bekommen.
von wann der text ist, verrate ich etwas später, vielleicht verirrt sich ja jemand noch hierher :-)
Daraus ergibt sich doch das brandneue und äußerst interessante Berufsbild des Profi-Fans. Würde ich direkt machen.
Biete:
– bunte Kostüme aller Art inkl. lustiger Hüte und anderer Kopfbedeckungen
– die Karaktere „begeisterte Vorfreude“, „enthusiastischer Torjubel“ (fair), „atemlose Spannung“, „Endsiegvorfreude“
– Pantomime, Stepptanz, Moonwalk
Ich habe übrigens keine Ahnung, aus welcher Epoche der Text stammt. Tippe einfach mal auf Ende 70er.
Guter Text, und relativ zeitlos obendrein. – – Ich schätze mal, er dürfte aus den 80ern stammen.
murmel, du bist gekauft. herr ärmel liegt jedoch näher dran. der text stammt vermutlich von 89/90 – ich habe ihn aus dem aufschlussreichen büchlein fußball-randale / hooligans in deutschland von thomas gehrmann, erste auflage märz 1990. also über 22 jahre alt.
http://www.amazon.de/Fu%C3%9Fballrandale-Hooligans-Deutschland-Thomas-Gehrmann/dp/3884744488
War keine grosse Kunst – dieser Stil kam in den 80ern auf. Dafür braucht man das Buch, aus dem du zitiert hast, nicht unbedingt zu kennen ;-)
gehen wir mal zusammen ins Eintracht Museum? Ich zahle auch selbst – und ein Äppler sollte auch noch drin sein…
klar, können wir gerne machen – ich bin häufiger dort :-)
schick ne mail, wenn du mal wieder in ffm bist.
prima! – ich dachte mir schon, dass du dich da auskennst ;-)
Ich werde mich melden im Oktober
jo, machmal, würde mich freuen.
Ein Text, der zu vielen Zeiten hätte geschrieben werden können, Beve. Es überrascht mich fast, dass er noch gar nicht so alt ist wie ich zuerst vermutete. Es ist natürlich richtig, wenn der Verfasser des Textes daran erinnert, was der Journalismus eben nicht (mehr) ist. Die Frage, warum er das nicht mehr ist oder sein will, wird ebenfalls beantwortet. Den Menschen wird gegeben, was sie wollen. Und das ist gerade jetzt wieder gut zu beobachten, wo sich nach einem aus rein sportlichen Gründen zu Recht verlorenen EM-Halbfinalspiel hochrangige Politiker nicht zu schade sind, auf eine „Diskussion“ einzusteigen, die „das Fachblatt für niedere Instinkte“ angeheizen konnte, weil Menschen einfache Erklärungen lieben. Und genau aus diesem Grund sind sie so leicht zu verführen und hinters Licht zu führen, die Menschen. Fast alle, nicht nur die enttäuschten und zukurzgekommenen. Ausnahmsweise weiß ich, wovon ich schreibe, denn ich muss jeden Tag sehr aufpassen, dass ich nicht in eine der vielen Fallen trete und bequem den erstbesten Stuss nachplappere.
Gruß vom Kid
Kid, das ist jetzt mal eine unfundierte Behauptung von mir: Aber waren die Medien nicht schon immer so? Ging es nicht mit den einseitigen Kriegberichterstattern im alten Rom oder meinetwegen Persien los?
Schuld ist der Markt! Und der Markt bin ich …also wir. Konsumenten.
Wenn auch dieses Internet die Vielfalt gedruckter Meinungen reduziert hat, hat es doch im Gegenzug die Meinungs- und Darstellungsvielfalt in eben diesem Internet ordentlich angefeuert.
Ich finde, es gibt ein sehr breites Angebot von Qualität (auf einem guten Beispiel befinden wir uns gerade).
Auch die peinlichen Politikeraussagen wegen unserer Hymne hätte auch von Strauß kommen können.
Zurück zum Markt: Ich meine eine Sehnsucht nach Trash-Kultur warzunehmen. Jeder noch so nichtige Rotz ist kultig. Vor dem Begriff Kult scheint noch Ehrfurcht zu bestehen, man verwendet meist „kultig“ – der genau meinen gewollt-und-nicht-gekonnt Eindruck ausdrückt.
Wie um alles in der Welt ist es erklärbar, dass wir beim Fussball mitlerweile einen permanenten Wettbewerb des Karneval haben? Während die Generation meiner Eltern noch nach bürgerlichen Werten strebte, scheint heute das Glückshormon ein Statussymbol.
Dieser Hang zur Trash-Kultur sorgt für permanente schrille Entgleisungen – die für Unterhaltung zuständigen Medien nehmen das natürlich gerne zu Kenntnis.
kid, das mit dem erstbesten stuss nachplappern ist in der tat ein problem, dies betrifft weniger den fußball oder die eintracht, da wissen wir zuviel, um uns übertölpeln zu lassen. aber fast alle sachgebiete, insbesondere politische erscheinungen und entscheidungen lassen mich ratlos und zornig zurück, da ich zwar ahne, dass ich verscheissert werde, aber keine belege dafür finde und selbst im grunde nichts wirklich weiß.
ein großes problem ist indes die boulevardisierung der medien; angefangen von den öffentlich rechtlichen ob des privat tvs bis hin zu fr oder spiegel ob der digitalen konkurrenz.
murmel, ein thema diesbezüglich ist natürlich das entdecktwerden des „kults“ durch die industrie, die wie stets vereinnahmend ist. der wettbewerb des karnevals, wie du es sagst, ist das angebot für die menschen, um widerstrebende kräfte gesellschaftlich zu isolieren, um die ware fußball meistbietend ohne störfaktor zu verhökern. und wer das (vermeintliche) glück angreift ist feind. gleichzeitig werden krokodilstränen ob der zustaände geheult – alkoholverbot rund um fußball geht einher mit sponsorenschaft von alkoholproduzenten.
„natürlich das entdecktwerden des “kults” durch die industrie“ – war bei Elvis so, bei Punkrock sowieso. Bestimmt auch bei Mozart und römischen Gladiatoren. (Wahrscheinlich) einzige Ausnahme: Skins. OI!
„der wettbewerb des karnevals, wie du es sagst, ist das angebot für die menschen,…“ – ich glaube so einfach ist es nicht. Sicherlich sind einige Akteure in der Lage den Zeitgeist zu beeinflussen (Medien / Institutionen / Politik / wasweißich).
Stichwort jedoch: Beeinflussen. Nur beeinflussen. Bedingung ist eine breite Grundeinstellung ähnlicher Tendenz in der Zielgruppe. Und selbst dann sind die aus diversen Wechselwirkungen resultierenden Entwicklungen nur bedingt steuerbar.
Was mir wichtig ist: Ich gebe Dir Recht, dass Verbände sich des Boulevards bedienen – welcher sich dank der unfassbaren Skandale gerne benutzen lässt – „um widerstrebende kräfte gesellschaftlich zu isolieren“ (Zitat Beve). Ja. Law and Order Politiker nehmen die günstige gute Presse gerne mit.
Trotzdem – Grundlage ist eine entsprechende Tendenz im Markt. Ich glaube nicht, dass man auf einem Massenmarkt erfolgreich komplett zeitgeistkonträre Impulse setzen kann.
Die Masse der Konsumenten ist mehr Ursache als die die Trends nutzenden Institutionen. Dieses mein Weltbild ist mir wichtig, weil nur so die Möglichkeit besteht Einfluss auszuüben – wir sind nämlich Teil davon.
Ein Teil einer Welt, die jeden Bestandteil des Lebens und damit das Leben selbst als ständige Bedrohung versteht.
das ist richtig, dass tendenzen aufgegriffen und nicht zwingend implementiert werden. dies geschieht rasend schnell. das gesamte thema ist sicherlich sehr komplex. ganz nebenbei sind auch die nazis noch nicht kult, resp. mainstream-werberelevant – obgleich gesellschaftliche tendenzen durchaus vorhanden sind. es ist sicherlich besser, sich mit schland-hütchen zu kostümieren, als mit uniformen.
interessant ist, dass das meiste eh vorhanden ist. bsp. okö-produkte. jahrelang wurden die konsumenten verspöttelt, heute ists state of the art. wirft die frage auf, wo zeitgeist herkommt – und wie er sich (so vorhanden) reproduziert.
ja, wir sind teil davon. und nicht alles ist bedrohung. für mich zumindest ist es nur der teil, der „wirklichkeit“ ausschließt und eine andere welt behauptet. und sei es nur durch bildmanipulation.
yo – die Bildmanipulation ist ein klares greifbares Delikt.
Der Rest kann eigentlich nur bei mehreren Abbeln adäquat reflektiert werden.
da hast du recht :-)
Mir gefällt euer gebabbel.
:-)