Bislang war ich dreimal in der Alten Försterei, es waren stets besondere Spiele. 2002 ersteigerten wir den Platz auf der Trainerbank, der eigentlich unter Unionfans vergeben werden sollte, 2008 siegte die Eintracht bei bestem Wetter im Pokal und 2012 durften wir eigentlich nicht vor Ort sein. Jetzt also erstmals Bundesliga in Köpenick.
Die Fanabteilung nutzte das Auswärtsspiel der Eintracht, um den Berliner Mitgliedern die Eintracht etwas näher zu bringen. Flugs wurde eine Veranstaltung organisiert, Uwe Bein und Axel Kruse eingeladen, Beve als Moderator gebucht und so saßen Pia und ich gemeinsam mit Henning und Heiko schon am Donnerstagmorgen im ICE nach Berlin. Lustiger Weise war der Platz in der ersten Klasse günstiger als alles andere und so nutzten wir die ungewohnte Beinfreiheit entspannt aus. Fulda, Erfurt, Leipzig zogen an uns vorbei, Uwe Bein hatte mittlerweile leider abgesagt und ziemlich pünktlich landeten wir im recht neuen Berliner Hauptbahnhof. Nach einer kurzen Zigarettenpause sprangen wir in die S-Bahn, stiegen Friedrichstraße um und Anhalter Bahnhof aus. Von dort waren es nur wenige Schritte bis zum Hotel.
Keine halbe Stunde später standen wir an der Currybude Curry 36 und schoben Fleischspieße und Currywürste in uns hinein, derweil nebenan am Gemüsekebab Mustafa Hunderte in der Schlange standen und auf ihren Döner warteten. Der Fluch des Reiseführers. Anschließend spazierten Pia und ich durch Kreuzberg.
Wie oft war ich schon hier gewesen, verfolgte die Wandlung der Bergmannstraße vom Kiez zum Tourispot. War ich Anfang der Neunziger noch neidisch auf die günstigen Wohnungen, das bunte Berliner Leben, geprägt durch den Geist der alternativen 70er, so ist’s hier nunmehr teurer als im Frankfurter Nordend. Derzeit tobt der Krieg um die Verkehrsplanung, die einen wollen Autos und Parkplätze sofort verbannen, die Einzelhändler fürchten um Kundschaft, die Trinker aber sind schon lange weiter gezogen, auch Kneipenpreise muss man sich leisten können, wie die Wohnungen und wer arm ist, der wohnt hier nicht und hat auch kein Lastenfahrrad. Wer ein paar Mark in der Tasche hat, bummelt durch die Straßen, beherrscht durch babylonisches Stimmengewirr.
Wir wandern durch die Straßen, trinken einen Kaffee oder Tee am Spielplatz an der Marheineke Markthalle und schieben uns zurück ins Hotel. Die Pause ist kurz, schon sind wir auf dem Weg zum Veranstaltungsort, Butzke’s in der Ritterstraße. Und während wir uns an der Ecke orientieren, ruft es: Axel. Ich zucke kurz, realisiere, dass ich ja gar nicht in Frankfurt bin und somit nicht gemeint sein kann, aber tatsächlich: Yvonne steht mit dem Rad an der Ecke und lacht. Früher haben wir in Frankfurt zusammen gearbeitet, jetzt ist sie mit Andi in Berlin ansässig und kommt gerade von der Arbeit, die Welt ist klein. Wir quatschen kurz, bevor wir uns weiter auf den Weg machen und im Butzke’s landen, Henning und Heiko sind schon vor Ort, bereiten vor.
Butzke’s liegt in einem ehemaligen Gewerbehof, nebenan besteht ein Technoclub, die Betreiber sind nett, die Location ist cool und bald wird über einen Strahler ein großer Eintracht Adler an die Häuserwand geworfen. Peu a peu trudeln die Berliner Eintrachtfans ein und statt Uwe Bein verpflichten wir kurzerhand Stefan Minden, Vizepräsident des Vereins, der sogar sieben Jahre lang die Abteilung geleitet hat. Axel Kruse trifft ein, „Ich bin der Axel“ sagt er, ich antworte: „Ich auch“. Ich hatte schon hunderte Interviewgäste, Kruse aber bislang noch nie, ich freue mich auf den Abend, wie die an die 100 Gäste im Raum auch. Nahezu pünktlich geht es dann los.
Henning von der Fanabteilung begrüßt die Anwesenden, dann kommt Axel Kruse auf die Bühne und berichtet von seiner Zeit als Fußballer in der DDR, seinen Aufstieg vom Jugendkicker in Wolgast bis hin zum Jugendnationalspieler, der es bei Hansa Rostock in die Oberliga der DDR geschafft hat, vom privilegerten Leben bis zur Flucht noch vor dem Mauerfall. Er geriet unschuldig in die Fänge der Stasi, wurde verhört und für Auslandsreisen gesperrt, und nutzte in Kopenhagen die erste Gelegenheit zur Flucht, als er dann doch wieder reisen durfte. Wenig später fiel die Mauer und die, die ihn damals bespitzelt haben, durften jetzt auch rüber.
Über die Hertha kam er zur Eintracht, traf auf Jörg Berger, der gleichfalls die DDR verlassen hatte, sie wurden Freunde. Kaum war Berger entlassen, kam Stepanovic zur Eintracht; Kruse lastete ihm damals den Abgang Bergers an – so wurden er und Stepi keine Freunde. Natürlich kam Rostock zur Sprache, die Grüppchenbildung der Mannschaft, die trotz fußballerischem Weltklassepotential nie eine Einheit wurde. Geprägt von Eitelkeiten und Egoismen verspielten sie bei Hansa den Titel, zwar hatte Kruse das einzige Eintrachttor erzielt, doch es sollte nicht reichen. Was als Triumph geplant war, die Meisterschaft, endete im Fiasko.
Nach einer kleinen Pause mit Currywurst und Pommes sowie einem Eintrachtquiz, stellt sich Stefan Minden dem Berliner Publikum, erzählt von den Anfangszeiten der Fanabteilung, der Notwendigkeit der Eintracht unter der Eintracht und dem langen Gang durch die Institutionen und der Bedeutung der Mitgliedschaft im Verein. Auch die AG hat ja nunmehr die Bedeutung der Fans erkannt und so sind die derzeitigen Erfolge der SGE letztlich auch darauf zurück zu führen, dass nunmehr alle an einem Strang ziehen. Der Ausbau des Stadions steckt in den Startlöchern, Junior Adler wie Classic Adler sind schwer aktiv und im Museum der Eintracht wird der Tradition gehuldigt. Der Abend saust nur so vorbei und spät in der Nacht sitzen wir noch im Hof mit einem Schöppchen in der Hand und quatschen über Gott und die Fußballwelt, bis uns ein Taxi ins Hotel bringt.
Der folgende Morgen bringt vor allem eines: Regen. Wir frühstücken recht zeitig und brechen dann in den Berliner Tag auf, marschieren hoch zum Checkpoint Charlie, schieben uns an Paaren und Passanten vorbei, aber es bleibt ungemütlich nass. Von daher lösen wir eine Tageskarte, fahren mit der U-Bahn hoch nach Tegel in der Hoffnung, dort die Bahn bei strahlendem Sonnenschein zu verlassen, allein: Es schüttet stärker noch als zuvor. Laufen war zwecklos, so fahren wir zurück ins Hotel, rauchen mit Stefan und Henning noch ein Kippchen und nehmen dann die Bahn Richtung Gesundbrunnnen, in der uns Andreas kurz mit einem: „Fahrscheine bitte“ irritiert. Irgend jemand triffst du immer, ob in Bornheim, Bangkok oder Berlin. Fatalerweise hat auch erstmals im Leben die dortige Curry Baude wegen Urlaub geschlossen, so dass wir nebenan ein schlechtes Würstchen verspeisen. Weiter geht’s zur Bornholmer Straße. Ein paar Schritte nebenan wohnt unsere Freundin Susi, die vor knapp anderthalb Jahren mit uns Pokalsieger wurde. Ein großes Hallo, Klein-Karla ist auch zuhause und so quatschen wir bei Kaffee und Kuchen bis die Zeit Richtung Fußball drängt.
Susi will nachkommen, derweil sich Andi und Hans Peter auf zur Bornholmer gemacht hatten, wo wir uns auch treffen, um mit der Bahn weiter Richtung Köpenick zu rollen. Am Baumschulenweg steigen wir um Richtung Spindlersfeld, dort erwartet uns ein Haufen Polizei, der uns aber in Ruhe lässt. Wir spazieren über die Dahme, treffen natürlich je näher es Richtung Stadion geht einen Haufen Eintrachtler, der Weg zieht sich, aber er endet, an der großen Shell geht es hoch zum Gästeeingang. Florian wartet kurz vorm Eingang auf mich, ich habe noch seine Karte, die Übergabe klappt tadellos.
Leider verpassen wir den richtigen Moment, die erste Hürde der Kontrolle zu passieren, die Ultras kommen an, begleitet von einem weiteren Haufen Polizei und alsbald geht gar nichts mehr, weder vor, noch zurück. Ein paar schieben sich durch die Absperrung, daraufhin wird die Kontrolle seitens der Polizei völlig dicht gemacht, von hinten drängen die Leute, die Zeit verrinnt – wenigstens regnet es nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir dann doch durch die erste Kontrolle, die zweite geht verhältnismäßig flott, Bratwürste dampfen auf Holzkohle Grills, dafür haben wir aber zunächst kein Auge und wandern hoch zu den Stehplätzen. Obgleich noch massig Leute draußen warten, ist der Block schon gerammelt voll – wir schieben uns in die Ecke zur Plexi-Absperrung, die vor ein paar Jahren noch aus Metall war (ließ sich damals besser öffnen) und können einigermaßen sehen. Stefan und Dario gesellen sich zu uns, allerdings wird es sekündlich voller und damit auch enger. Davon bin ich ja nun gar kein Freund.
Die Alte Försterei ist ja schon ganz cool, verkehrstechnisch eher ungünstig gelegen, aber immer noch mit der kleinen manuellen Anzeigetafel versehen, auf welcher der Spielstand händisch mit Tafeln eingeschoben wird. Und mit Nina Hagens: Eisern Union. Kurz vor Anpfiff steigt Rauch und Licht in die Luft, wir warten, bis sich der Nebel verzogen hat, dann geht’s los. Die Hütte ist bis auf den letzten Platz besetzt, die Stimmung prächtig, allein mir und Pia geht die Enge auf die Nerven und so wandern wir nach 20 Minuten hoch zum Kiosk. Susi ist mittlerweile auch eingetroffen, Stefan, der auch schon lange in Berlin wohnt kommt vorbei und so quatschen wir oben, bis es mit dem 0:0 in die Halbzeit geht – gesehen haben wir davon dann eher wenig.
Aber wir bleiben tapfer im Stadion, brüllen zu Dosts 0:1 mit allen mit, das wir natürlich auch nicht gesehen haben und verbringen den Rest der zweiten Halbzeit damit, aus der letzten Reihe durch Köpfe, Arme und Fahnen hindurch auf das Spielfeld zu spähen. Silvas 0:2 stellt die Weichen auf Sieg, der durch Ujahs Treffer kurz vor Schluss noch einmal in Gefahr gerät. Aber unsere Helden fallen nicht und so landet die Eintracht einen freitagabendlichen Auswärtssieg, der uns beschwingt ins Wochenende gleiten lässt.
Wir sind mit die ersten, die das Stadion verlassen, treffen Charly, den wir ewig nicht mehr gesehen hatten und werden an der Straße von der Polizei aufgehalten, die sinnfrei den Abgang versperrt. Nach einigem Palaver dürfen wir durch, stellen dann fest, dass die Straßenbahnen wegen Fußball nicht fahren können (große Sache) und steigen weiter oben in die Bahn Richtung Köpenick. Da Andi und Hans Peter noch etwas hinter uns geblieben sind, nehmen wir in der Wirtschaft „Der Hauptmann von Köpenick“ noch ein Bier, der Laden füllt sich zusehend mit Fußballfans aller Farben, auch unsere Freunde treffen ein und so babbeln wir, bis der Kopf schwer und die Gedanken langsam werden. Über den Bahnhof Köpenick rollen wir später zur Friedrichstraße, verabschieden uns von Susi, Andi und Hans Peter und landen wenig später todmüde im Hotel. Auswärtssieg!
Da unsere Bahn erst gegen 13 Uhr am Hauptbahnhof los rollen soll, nutzen wir den Morgen nach dem Frühstück, um noch einen kleinen Spaziergang zu machen, pünktlich setzt der Sonnenschein ein und vertreibt den Regen. Wir spazieren über den Anhalter Bahnhof zum Tempodrom, auf dem Sportplatz dazwischen kicken Berliner Jugendmannschaften, weiter hinten liegt der Landwehrkanal und das Technikmuseum, wir hocken uns auf ein sonnenbeschienenes Bänkchen, bis die Zeit reif für den Weg zum Bahnhof ist.
Pünktlich wie die Maurer landen wir dort, treffen Henning und Dario und gemeinsam gleiten wir gemächlich nach Frankfurt, die Landschaften ziehen an uns vorbei, bis wir letztlich am Südbahnhof ankommen, uns verabschieden und mit der 18 ins Nordend zöckeln.
Im End ging alles zu schnell vorbei, aufregend war es allemal, der Abend im Butzke’s, unsere Freunde, die Alte Försterei. Und während ich hier sitze und schreibe, müsste ich eigentlich packen, morgen früh um 7:20 Uhr geht der Flieger nach Porto, da sind wir dann wieder unterwegs. Ihr hört von uns, wenn es heißt: Eintracht Frankfurt international. Erst einmal aber geht der Dank nach Berlin und die Fanabteilung, an Susi, Karla, Andi und Hans Peter, an Butzke’s mit dem Team sowie die Berliner Adler, Axel Kruse und Stefan Minden. An die Eintracht und Pia sowieso. Toll war’s.