Als mit dem SV Waldhof Mannheim der Gegner der Eintracht in der ersten Runde des DFB Pokals feststand, herrschte kollektives Aufatmen. Zwei Traditionsclubs sollten aufeinander treffen, die jungen Wilden beider Vereine sind befreundet, die Anreise sogar mit dem Fahrrad machbar. Und rein sportlich ein durchaus brisantes Duell – Waldhof hatte als Aufsteiger in die dritte Liga noch kein Spiel verloren. Also nix wie hin …
Dankenswerter Weise fanden Pia und ich Unterschlupf im Bus des Fanclubverbandes, Ina und die Jungs hatten alles trefflich organisiert und wir mussten nicht mit überfüllten Zügen oder dem Dacia anreisen, konnten uns also locker machen. Gemütlich gondelten wir kurz vor zehn mit den Rädern zum Bahnhof, konnten diese bei Pias Firma in der Münchner unterstellen, wanderten runter zur Südseite des Bahnhofes und hielten Ausschau nach dem Bus. Es gibt ja nunmehr mehrere Orte dort, wo die Busse halten können. Ein kleiner Trupp Eintrachtfans wartete schon, und da sie den Apfelwein für die Reise im Gepäck hatten, hefteten wir uns an ihre Fersen. Ohne Ebbelwoi fährt kein Bus aus Frankfurt ab. Und da ist er auch schon, der Bus.
Ordnungsgemäß beschriftet unsere Sitzplätze, vor uns Miri und schusch, hinter uns Martin, die Reise kann beginnen. Schon ploppen die ersten Fläschchen auf und ehe wir ausgetrunken haben, gurken wir auch schon an der SAP Arena vorbei Richtung Carl-Benz-Stadion. Die letzten Meter gestalten sich holprig, eine Zufahrtsstraße ist aufgerissen und wir pflügen durch die Stadt, um in die Nähe eines Parkplatzes zu gelangen, gefühlt der längste Part der Reise – aber wir landen doch. Zwar nicht genau dort, wo wir hin gewollt hatten, aber wir sind da.
Ruckzuck ziehen wir Bierbänke und -tische aus dem Bus und alsbald schrauben eifrige Hände die nagelneuen Grills zusammen. Extra für dieses Spiel angeschafft und absichtlich mit hohen Beinen, auf dass wir nicht die Gegend abfackeln. Bergeweise Brötchen und Würstchen, stapelweise Käse- und sonstige Bratlinge warten auf uns hungrige Gesellen und Gesellinnen. Kaum stehen die Grills, glüht auch schon die Holzkohle. Und just in dem Moment, als die Kohle auf den Punkt durch geglüht ist, landen nicht etwa die Würstchen auf dem Rost, nein wir bekommen Besuch. Abteilung Staatsmacht. Grillverbot. Grills aus. Aber zackig. Jetzt glüht nicht nur die Kohle, nein auch wir glühen, reden mit Engelszungen auf die KameradInnen ein. Sprechen von Lebensmittelverschwendung, bieten kleine Geschenke an, bitten um eine winzige Viertelstunde. Man versteht uns, alleine der Chef kennt kein Pardon, nach Rücksprache mit der Stadt, der Feuerwehr und wahrscheinlich auch dem lieben Gott, müssen wir die Glut vor der Zeit löschen. Große Nummer, in der Zeit, in der wir quatschten, hätten wir auch grillen können.
Eltern, sagt’s euren Kindern, niemand muss Polizist werden und es gibt immer eine Eigenverantwortung, man muss sie nur nutzen wollen. Egal, hungrig wandern wir rüber zum Stadion. Natürlich ist halb Frankfurt und ganz Mannheim unterwegs, ein Gewimmel wie selten hier. Vor ein paar Jahren sind wir hier mit unseren Amateuren mehrfach zum Punktspiel aufgeschlagen und ziemlich genau vor 11 Jahren kickte hier die TSG Hoffenheim in der ersten Bundesligasaison des sympathischen Aufsteigers. Damals ist in der Nacht vor dem Spiel mein Kollege Steffen schwer verunglückt. Gott sei’s gedankt hat er’s geschafft.
Überall Gebabbel und Gewimmel, alles sonnig entspannt, wir schlagen uns durch zum Gästeeingang, kaufen einem fliegendem Händler noch ein Schöppchen ab, quatschen kurz mit Maj und Ana, unseren Museumskolleginnen und wandern mit Julian ganz nach oben, unten war ja schon ein mords Gedränge. Ariane und Niko haben es auch bis hierher geschafft, hinter uns steht Nina, es kann los gehen. Und es geht los. Zunächst wedelt ganz Waldhof mit blau schwarzen Fähnchen, wir antworten mit Rauch, die Hütte ist brechend voll, die Atmosphäre verweist eindeutig auf Fußball, allerdings hoch entspannt.
Kaum hat sich der Rauch verzogen, geht Waldhof in Führung, kaum haben wir uns daran gewöhnt, steht’s 2:0 für den Drittligisten. Wirklich beunruhigt bin ich nicht, aber viele Tore sollten jetzt nicht mehr fallen, also viele Tore für Mannheim. „Waldhof und die SGE“ schallt es von den Rängen, einer nörgelt hinter mir „Scheiß Waldhof“, derweil sich die Eintracht, bei der übrigens Kevin Trapp wieder im Tor steht, unten eher erfolglos abmüht. Wie aus dem Nichts trifft Kamada zum Anschlusstreffer, die SGE ist wieder da.
Etwas später pfeift der Schiedsrichter, die Spieler gehen zur Seitenlinie, Niko runter zum Getränkestand und ich dreh mich um und babbel. Als ich wieder auf’s Spielfeld schaue, kicken die schon wieder. Das war aber eine kurze Halbzeitpause, denke ich – werde aber umgehend aufgeklärt: Trinkpause ob der Hitze. Aha, das erklärt einiges. Niko bleibt verschwunden. Erst kurz vor dem tatsächlichen Halbzeitpfiff kommt er mit Getränken in der Hand wieder anmarschiert und schimpft: „Die kriegen da unten gar nix gebacken“. Zur Belohnung macht Kostic das 2:2, Jubel. Halbzeit.
In der zweiten Halbzeit kommt Durm für Da Costa auf’s Feld, es wogt auf dem Rasen wie auf den Rängen hin und her; die Eintracht hat die Sache in der Hand, trifft aber nicht. Sorglos kämpfe ich mich durch die Menge, die Toilette ruft und bei der Gelegenheit könnte ich mich ja auch für das Schöppchen revanchieren, es ist ja auch noch eine gute Viertelstunde zu spielen. der Blick auf den Getränkestand zeigt: Nix los, ich riskiere es. Vier, fünf Leute stehen vor mir – aber irgend etwas hakt. Aus den Leitungen tröpfelt es, so sich denn jemand bereit erklärt, den Hahn zu bedienen. Mittlerweile habe ich bezahlt und warte. Und warte. Und warte. Alles brüllt. Tor. Für wen? Durch die Blöcke fällt mein Blick auf jubelnde Mannheimer. Mist. Ich warte. Alles brüllt. Tor. Für wen? Durch die Blöcke fällt mein Blick auf jubelnde Frankfurter. Gut. Mist. Ich warte. Irgendjemand schafft ein neues Fässchen herbei. Alles brüllt. Tor. Für wen? Durch die Blöcke fällt mein Blick auf jubelnde Frankfurter. Gut. Mist. Ich warte, meine Becher werden immerhin gefüllt. Alles brüllt. Tor. Für wen? Durch die Blöcke fällt mein Blick auf jubelnde Frankfurter. Gut. Mist. Unfassbar. Ich halte Bier in den Händen, wander unter großem Hallo die Treppen nach oben, drücke Niko ein Bier in die Hand, der Schiri pfeift ab, die Eintracht gewinnt durch drei Tore von Ante Rebic in der letzten Viertelstunde mit 5:3 – und ich habe vier Tore verpasst. VIER TORE. Schkönntdorschdrehn.
Naja, wir sind in der nächsten Runde, ich habe eine lustige Geschichte und werde – wie eigentlich auch zuvor – nie wieder Bier während eines Spiels holen. Mittlerweile regnet es, irgendwie kämpfe ich mich zum Bus vor und relativ bald legen wir ab und sind früh wieder am Bahnhof. Pia und ich verabschieden uns, treffen noch Moni und Ingo, schieben uns in einer Hähnchenbraterei noch einen halben Hahn hinter die Kiemen und holen die Räder. Während Pia heimradelt, nehme ich die 12, treffe John und gemeinsam zuckeln wir die Friedberger hoch. Dort wartet schon Pia, die letzten Meter nehmen wir gemeinsam und landen wieder wohlbehalten aber geschafft zu Hause. Vier Tore! Kinners, ich sag’s euch …