Abends zuvor noch ein Absacker am Gudes, nur wenige Stunden später klingelt der Wecker in aller Herrgottsfrühe. 5:30 Uhr, doch es nutzt nichts, ich muss raus, kurz nach sechs kommt die 12 Richtung Bahnhof, 6:45 ist Abfahrt mit dem Bus der Fanabteilung nach Vaduz. Auf dem Speiseplan heute: Europacup, FC Vaduz gegen die Frankfurter Eintracht. Also auf jetzt!
Pia ist auch schon wach, kommt aber leider nicht mit. Also schlurfe ich hundemüde und mutterseelenalleine die paar Meter runter zur Haltestelle in der Rohrbachstraße. In der RMV App die Fahrkarte, warte ich nicht lange, bis die Bahn angerumpelt kommt und mich über Konstablerwache und die City zum Baseler Platz bringt. Frankfurt erwacht langsam, die Fahrt ist unaufgeregt. Ich laufe ein paar Meter runter zur Südseite, früher fuhren die Busse ja direkt an der Südseite ab, jetzt wartet schon ein ansehnlicher Trupp auf die Ankunft der beiden Busse in der Stuttgarter Straße.
Der Fußballgott meint es ja gut zu mir, rund 460 km liegen vor uns, für ein Europacupspiel eine verhältnismäßig kurze Strecke – mehrere Tage zu reisen, hätte ich derzeit nicht gepackt, aber eine Tagesfahrt ist immer drin. Und natürlich ein großes Hallo am Treffpunkt, man kennt sich ja über die Jahre. Hier ist Matze von Per Sempre, da Thomas von Black & White und dort Steffen, der auch heute wieder Urlaub bekommen hat. Und natürlich zig andere. Ich bin in Bus 2, setze mich ans Fenster, die Reiseleitung hat zum ersten Mal Elisa. Christopher sitzt neben mir, als wir kurz vor sieben Richtung Stadion aufbrechen, um von dort endgültig auf die Autobahn zu rollen, Vaduz, Vaduz, wir fahren nach Vaduz.
Ich bin müde, dennoch: Hinter Darmstadt beginnt der Süden, die Stimmung im Bus ist gedämpft, ab und an flackern kurze Gespräche auf, ansonsten spulen wir gemächlich im Konvoi Kilometer um Kilometer ab, der Tag und auch die Nacht werden noch lange, die Sonne lacht, wir rollen über Pforzheim und Stuttgart Richtung Schwäbische Alb. Vor ziemlich genau einem Jahr war ich mit Flo schon einmal hier, damals flogen wir in Ulm in der ersten Pokalrunde aus dem Wettbewerb – und besuchten anschließend den Blautopf in Blaubeuren, den wir heute hinter uns lassen.
Im Bus ist’s ruhig, keine laute Musik, keine Gesänge – mir kommt das zupass, hänge meinen Gedanken nach, und werde langsam wach. Unterwegs halten wir zwei Mal, ich treffe Nina, die mit ihrer Freundin und dem PKW unterwegs ist (und eigentlich auch gar nicht fahren wollte), rauche eine Zigarette. Nur wenig später sind wir in Österreich, es wird bergiger. Demnächst ist Schweinerennen in Rankweil/Brederis, große Plakate weisen darauf hin, wir aber konzentrieren uns heute auf Fußball. Und kaum sind wir in Österreich, sind wir auch schon in der Schweiz. Lange warten mussten wir an der Grenze nicht. Und auch Liechtenstein wird unmittelbar darauf geentert, am Rhein entlang rollen wir Richtung Rheinpark Stadion, wir sind nahezu die ersten, die vor Ort sind. Linker Hand mäandert hinter einem Wall der Rhein, rechter Hand wachsen die sonnig beschienenen Berge in die Höhe, man möchte sofort Urlaub machen und wandern. Aber zunächst warten wir noch kurz auf Kathrin, die schon alle Karten für uns besorgt hat.
Thomas hatte die Gelegenheit genutzt und sich ins leere Stadion geschlichen, die Idee klingt gut und so laufe ich ein paar Meter auf dem Deich entlang. An einem Törchen werkeln Fernsehtechniker für die kommende Übertragung, das Törchen steht offen, ich frage kurz, ob ich hinein darf, was den Jungs erwartungsgemäß völlig egal ist und stehe relativ alleine im rund 6,500 Personen fassenden Liechtensteiner Stadion. Flutlichtmasten ragen in den blauen Himmel, dahinter wachsen die Berge in die Höhe, ein wunderbares Panorama. Wenig später bittet mich ein Sicherheitsbeamter höchst freundlich darum, wieder nach draußen zu gehen, eine Bitte, der ich gerne nachkomme, den Moment hatte ich.
Vorne am Eingang hat sich nun eine kleine Schlange gebildet, die ankommenden Eintrachtler müssen sich ihre Tickets alle einzeln abholen, gemächlich füllt sich der Parkplatz. Mit einem Apfelwein in der Hand wandern wir zu dritt Richtung Ort, vorbei an Maisfeldern (Deutscher Maister 59 …), auf der gegenüber liegenden Seite thront das Liechtensteiner Schloss im Grün der Berge. Hot Dogs für neun Franken sind im Angebot, günstig, wenn man sich überlegt, was die Reparatur der Gorch Fock kostet …
Basti und Ina marschieren an uns vorbei auf dem Weg zu den Tickets, erste Stände sind schon aufgebaut, der Ort füllt sich. Keine 6.000 Menschen leben hier, heute sollten es ein paar mehr werden, die es sich gut gehen lassen. Im Ort selbst läuft gerade ein Beachvolleyball-Turnier, die ersten Frankfurter haben es entdeckt, die Jungs aus Liechtenstein spielen gegen die Norweger – und werden von den Eintrachtfans lautstark unterstützt. Die Sonne ballert ordentlich, die Liechtensteiner wundern sich zunächst über die Frankfurter Invasion, beginnen aber sofort, die Biervorräte aufzustocken. Der Speaker begrüßt die anwesenden Eintrachtler, über die Lautsprecher läuft: Im Herzen von Europa, wir singen mit.
Dann ruft es von irgendwoher „Beve“! Meistens ruft es immer von irgendwo her „Beve“, wenn ich unterwegs bin, man ist ja nie alleine mit der Eintracht, das ist schön. Auf der gegenüberliegenden Tribüne hat es sich die Gang rund um FUSSBALL 2000 gemütlich gemacht, ich wander kurz rüber, bekomme ein schön warmes Becks Gold in die Hand gedrückt und verliere mich alsbald im Gewimmel der Stadt, des Ortes.
In den Gaststätten ist jetzt gut was los, ich entdecke Mario von den Sossenheimern und bleibe alle zwei Minuten für einen kleinen Schwatz hängen, auch das Team von Eintracht TV lässt es sich gut gehen und Susi ist sowieso da. Kurz überlege ich, Richtung Schloss zu wandern, aber da ich überall auf Bekannte treffe, bleibe ich unten und lasse mich treiben. Sabine ist tatsächlich mit der Vespa angereist, sie trotzte dem gestrigen Regen und nun leuchtet der rote Roller in der Innenstadt mit dem Eintrachtfähnchen in der hiesigen Sonne. Die Stimmung beim Beachvolleyball kocht über, jetzt läuft Schwarz Weiß wie Schnee – und alle singen mit. „Mit dem Jürgen, mit dem Jürgen …“. Vatmier ist inzwischen auch gelandet und Mario hockt immer noch da, wo er vorhin schon gesessen hat. Und sogar Marc und Maria sind hier, sie werden Urlaub machen, welch bezaubernde Idee mit Panoramablick aus dem Fenster.
Hinten an der Fremdenverkehrsinfo steht eine Hängematte, ich lege mich hinein, nach oben hin blicke ich in den blauen Himmel, die grünen Berge und das Schloss, wer an mir vorbei schlendert, lacht, es ist ein gemütlicher Platz. Und kaum will ich Richtung Stadion aufbrechen, kommt mir Flo mit Frauke, Öri, Stefan, Thor und Steffen entgegen, während sich Museumsmatze in Frankfurt jetzt doch fragt, weshalb er eigentlich nicht mit gekommen ist. Mit Flo schlender ich durch die Gassen und nach einem kurzen Stopp im Coop wandern wir alle gemeinsam Richtung Stadion. Während wir ein kurzes Päuslein am örtlichen Bach einlegen, marschiert der Fanmarsch an uns vorbei, ein Gewinke, ein Hallo. Wir warten, bis er durch ist, es ist ja schon ein erklecklicher Haufen, der sich auf die Reise ins Fürstentum aufgemacht hat, dann wandern wir die paar Meter zum Einlass. Natürlich ist Familie Minden hier, etwas anderes kommt auch gar nicht in die Tüte. Lange dauert es nicht, bis wir drin sind, ich muss irgendwie in Block F, stehe unten und überlege, wo ich hin soll, bis mir der Gedanke kommt: Bleib doch einfach hier unten. Gute Idee. Oben winken Suse, Arne und Muelli.
Ich stehe direkt unten am Zaun, komme kaum zum gucken, alle naslang kommt jemand vorbei, auch Julian von der Fanbetreuung. Sabine klebt am Zaun, macht Foto um Foto, nebenan steht Boris, der immer irrsinnige Touren macht, Nina kommt vorbei, mittlerweile hat das Spiel begonnen, hinter mir auf der Tribüne ist ordentlich Rabbatz, Fahnen wehen, Lieder werden gesungen, die Eintracht führt bald durch Kostic und erhöht durch Kostic. Ich gucke auf die Berge, das Spiel, die Kurve, freue mich über meinen Platz und schon steht es in der untergehenden Sonne 3:0 durch Kohr. Irgendwie dachte ich, Abraham hätte das Tor gemacht, da war ich aber nicht der einzige.
In der zweiten Halbzeit gesellen sich Moritz und Charlotte zu mir. Praktisch, dass die Pfandbecher von der Tribüne aus direkt hinter uns geworfen werden, wir sammeln sie ein, teilen sie mit einem kleinen Jungen und finanzieren dadurch unsere Getränke. Und dann entdecke ich die Gabi Geiselgangster. Lange war sie schwer krank, jetzt steht sie am Zaun und ist wieder mit dabei, Rom, Mailand oder London war für sie nicht machbar. Willkommen zurück, schön, dass du wieder dabei bist.
Mittlerweile steht es 5:0, das Weiterkommen der Eintracht ist nur noch Formsache, wir quatschen, gucken und fotografieren, feiern die Mannschaft, ein letzter Blick und schon sitze ich wieder im Bus. Noch ehe wir Vaduz verlassen, schlafe ich ein – und werde bis Ladenburg trotz Raststättenstopp nicht mehr wach. Die letzte Stunde zieht sich, Bergstraße, Darmstadt, Stadion, Bahnhof. Ein kurzer Abschied, dann wander ich hoch in die Münchner, mein Akku ist leer, der vom Handy auch. Da die Bahn noch ein bisschen braucht, laufe ich weiter zum Theaterplatz, ziehe mit den letzten Münzen noch ein Ticket und steige in die kommende 12 bis zum Günthersburgpark. Unten am Matthias Beltz Platz hat das Gudes noch zu, kein Wunder, es ist 5:20 Uhr am frühen Morgen. Ich bin müde und kaputt, schlurfe die letzten Meter nach Hause und freue mich, dass Pia da ist und ich sie gleich sehen werde. Natürlich ist sie mit dem Umdrehen des Schlüssels schon wach, wir fallen uns nach genau 24 Stunden in die Arme – und dann ins Bett. Um 8:30 klingelt der Wecker, das Leben geht weiter … Schön war’s.
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