Mit der Absage des Fluges ist mein Hunger schlagartig vergangen. Stand jetzt hatten wir einen Platz auf dem Speedboot und die Rückkehr nach Bangkok mit dem 11er Bus in der Tasche, dazu zwei Nächte in Bangkok. Alles weitere wird sich weisen müssen. Ich mache mir Sorgen um Pia, sie kommt mit der Situation weniger zurecht als ich. Aber ich vertraue meinen Fähigkeiten und lege alles weitere in die Hände unseres Schicksals. Es wird schon werden, es ist ja noch immer geworden – wenn auch nicht so, wie geplant.
Kategorie: Thailand (Seite 1 von 4)
Reiseberichte Thailand 2015
Ich geb‘s zu, ich habe den ersten Sonnenuntergang schlicht verpennt. Mittags kam Björn von der Massage zurück, natürlich gab es ein großes Hallo. Diesmal ist er mit Freunden hier, Menschen stellen sich vor, Namen werden behalten und vergessen – mir steckt die Aufregung der letzten Tage und natürlich die Fahrt in den Knochen. Nachmittags lege ich mich in die Hängematte – manchmal höre ich Gewisper, döse wieder weg. Als mich Pia sachte weckt, funkeln die Sterne. Ein paar Schritte vor uns rauscht das Meer.
Als wir am Busbahnhof in Ranong mit einigen anderen Reisenden den Bus verlassen, erwartet uns schon eine Schar Scootertaxis. Wer sich nicht auskennt, könnte nach der langen Nacht überfordert sein, sie stürmen auf dich zu und bieten freundlich aber hartnäckig ihre Dienste an. Theoretisch hast du drei Möglichkeiten. Du kannst mit dem Bus weiter zur finalen Station fahren, dem Newmit-Office in Ranong. Möglichkeit zwei: Du bleibst erstmal hier. Das wäre keine gute Idee. Und Möglichkeit drei: Du lässt dich direkt ans Pier bringen. Das ist unsere Wahl.
Die letzten Meter wird es kalt. Leicht bekleidet schleppen wir die Rucksäcke von der Straßenbahnhaltestelle Rohrbachstraße die paar Meter hoch in unsere Wohnung. Es ist Sonntag Morgen, der 29. März, die Straßen sind noch leerer als sonst an einem Sonntag in Frankfurt. Hinter uns liegen knapp 20 Tage, die als Urlaub begannen und uns sehenden Auges in eine weltweite Katastrophe entließen. Kurz bevor Corona Deutschland in Geiselhaft nahm, flogen wir nach Thailand. Am Abend zuvor hatten wir noch in geselliger Runde mit leichter Vorsicht den 80. Geburtstag meines Vaters gefeiert. Kaum waren wir in Bangkok gelandet, war die Welt in Deutschland eine andere. Doch der Reihe nach.
Mai pen rai. Dies ist ist eine Formel auf Thai, deren Anwendung etwas Befreiendes hat. Wenn dein Gegenüber eine Frage nicht beantworten kann, oder den Eindruck hat, nicht präzise englisch zu sprechen, wenn ein Missgeschick passiert und das Gefühl der Schuld an der Würde kratzt – mit dem Satz mai pen rai erwirkst du eine Art Erlösung, die durchaus mit einem Wai bedankt wird.
Zuhause. Pia hat mich, obgleich sie krank ist in aller Frühe in Frankfurt abgeholt, der Flug hat sich gezogen. Immerhin liefen auf dem kleinen Monitor noch zwei Martial Arts Filme, die mir die Zeit einigermaßen vertrieben, an Schlaf war nicht wirklich zu denken.
Früher Morgen in Bangkok, ich sitze am Fluss und schreibe. Später, beim Verlassen des Guesthouses in Richtung Frühstück bin ich zunächst vorsichtig, ob das Wasserfestival jetzt tatsächlich zu Ende ist- und in der Tat: Es bleibt trocken, das ist doch mal ein gutes Zeichen.
Da es sich etwas zieht, bis ich mein Zimmer beziehen kann, trinke ich zunächst einen Tütencafé am Fluss, stelle mein Gepäck unter und laufe los. Mein Plan sieht vor, bis zum Golden Mount zu marschieren, dort an dem Klong in ein Klongboot zu steigen, und nahe des Bahnhof Phaya Thai einen Textilmarkt aufzusuchen, ich brauche einige Dinge, die ich von Ko Payam nicht mitschleppen wollte.
Ranong, 14. April 2015, 19:00
Ich sitze in Pons Place, eine Agentur für Dienstleistungen aller Art, auch für die Nachtreise nach Bangkok und trinke einen lausigen Tee. Es ist dunkel, der Sonnenuntergang fand ohne mich statt, hallo Welt, hallo Wirklichkeit, ihr habt mich wieder.
So wie es einst in der Nacht begonnen hat, so endete es auch: Mit einem Bad unter dem Sternenhimmel, dazu die sich im Wasser spiegelnden Lichter der Bars, der Blick auf die Bucht und die Insel und dazu die leuchtenden Meeresbläschen, geschaffen von Gottes Hand oder doch eher dem Nachtlicht des Resorts nebenan geschuldet, was machts für einen Unterschied?
Flüchtig ist alles, vergänglich wie eine Fußspur im Sand, von Wellen dahin gespült, nichts bleibt, außer Erinnerung, die auch vergeht. Oder wechselt alles nur die Form, so wie der Sand vor der Fußspur einfach Sand war, zuvor vielleicht ein Fels. Alles wird zu Etwas, zu allem, nichts vergeht, es wechselt, eingewoben in die große Geschichte, erzählt vom Wind, von den Bäumen, vom Meer. So wie unsre Geschichte einst erzählt wird, verstanden von dem, der zuhören gelernt hat.