In ein paar Wochen wird dieses Blog unfassbare 10 Jahre alt. Der Vorgänger ging sogar 2008 erstmals an den Start, damals drehte sich fast alles um die Frankfurter Eintracht – manche erinnern sich vielleicht noch, der silberne Golf, die Auswärtsfahrten nach Nürnberg, Bielefeld oder Bochum.
Autor: Beve (Seite 6 von 69)
Mittwoch, 06:25 Uhr. Ich marschiere dezent müde die Wiesenstraße hinunter Richtung Bornheim Mitte. Die Marktbeschicker sind früh auf den Beinen und richten ihre Stände für den allmittwöchlichen Wochenmarkt her. Erstmals seit über einem Jahr werde ich mich mal wieder in eine U-Bahn setzen. Es ist für einen guten Zweck: Ich habe meinen ersten Impftermin.
Ostermontag, Temperaturen knapp über 0 Grad, Nieselregen. Es ist ungemütlich. Im Grunde ist es seit über einem Jahr ungemütlich, seit uns das Virus im Griff hat und desaströse Strategien die Pandemie ins Hoffnungslose hinauszögern. Was bleibt? Ein kurzer Spaziergang.
Es war 1986, ich studierte seit einem Jahr an der Frankfurter Universität Germanistik, eine Notlösung. Eigentlich wollte ich Kinderarzt werden, Medizin studieren. Aber mein Abi war mit 2,4 zu schlecht, nach zwei vergeblichen Bewerbungen sattelte ich um. Germanistik. Irgendwas mit Büchern, gelesen hatte ich ja schon immer gerne. Gelesen und Musik gehört. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.
Ich fahre mit dem alterschwachen Dacia raus in den Taunus. Kaum bin ich auf der Miquelallee, fallen die ersten Tropfen, langsam schwappen die Wischer über die Scheibe – immerhin, nach ein paar Kilometern hört der Nieselregen auf. Aus den Lautsprechern kniedelt russischer Postpunk. Ich muss raus. Raus aus der Stadt, weg vom Rechner.
Wir haben uns im Sommer mal hingesetzt und uns überlegt, was wir in Zeiten der Corona-Pandemie so anstellen können, wenn Museen geschlossen haben, Veranstaltungen quasi ausfallen und die Leute im besten Falle zuhause sind. Wenn wir also nicht unbeschwert durch die Stadt wandern oder zur Eintracht gehen können. Okay, dann bringen wir Frankfurt und die Eintracht eben zu euch nach Hause. Das war die Idee.
Es versprach ein sonniger Herbsttag zu werden, zumindest was das Wetter angeht. Zwei Alternativen standen parat. Einerseits den sogenannten „Querdenkern“ Paroli bieten, die sich in Frankfurt zu einer Trotteldemonstration angemeldet hatten, andererseits wollte ich schon länger mal einen Rundweg durch den Wald bei Grävenwiesbach laufen. Da wir keine große Lust auf Menschenmassen und Wasserwerfer hatten, entscheiden wir uns für letzteres. Wie sich im Nachhinein herausstellte, keine schlechte Idee.
Grau drückt der Himmel, abendliche Straßen sind wie leergefegt. Hinter uns liegt noch nicht einmal ein Sommer voller unbeschwert bunter Erinnerungen. Hinter uns liegen Maskenwege, Ausnahmemomente in der Ausnahme. Kleine Fluchten. Große waren nicht drin. Im November schließen sich die Türen, dieses Jahr mehr noch als sonst. Im Hinterhof werden die kümmerlichen Reste eines Lebens eines verstorbenen Nachbarn entsorgt. Was bleibt? Musik. Beschäftigen wir uns doch einmal mit Liedern über den November. Dazu einen Tee. Eine Zigarette.
Your architects were madmen – your builders sane but drunk sangen die Pogues einst in ihrem Song London, you’re a lady. Und so ganz Unrecht haben sie damit nicht. Vor allem London City aber auch die Hochhäuser an der Southbank machen es dir nicht einfach, einen Weg durch die Stadt zu bahnen. Jede Nische wird zugebaut. Gläserne Fassaden zeugen von einem scheinbar unermesslichen Reichtum. Dazwischen versteckt sich immer ein Pub. Etwas Unvorhergesehenes. Ein Lied. Und davon handelt dieser kleine Text. Über Lieder über London.
So sind wir in den Herbst gerutscht. Die letzten Chilis suchen in der Unwirtlichkeit des Wetters ihre finale Röte, die Behaglichkeit einer warmen Wohnung verspricht in diesem Jahr keine Unbeschwertheit. Es sind, man kann es nicht anders sagen, Scheißzeiten.
Die letzten Minuten des Spiels der Eintracht in Basel verdämmer ich vor dem TV im Halbschlaf. Kurz vor Schluss steht es 0:0. Die Eintracht hätte fünf Monate nach dem Hinspiel ein 0:3 aufholen müssen. Jenes 0:3 im Frankfurter Stadtwald, das eine Zäsur bedeutete. Es war das erste Heimspiel nach dem Einbruch des Coronavirus SARS-CoV-2. Das erste Heimspiel ohne Zuschauer.